Zoa ist der Name eines neuartigen Leders aus der Retorte, dass die New Yorker Firma Modern Meadow künftig in großem Stil in ihren Bioreaktoren herstellen will.
Leder ist ein Kulturgut: Schon in der Steinzeit nutzten Menschen gegerbte Tierhäute zur Herstellung von Kleidung. Das bestätigt die 5.300 Jahre alte Gletschermumie „Ötzi“, deren Schuhe, Oberbekleidung und Mütze allesamt aus Leder gefertigt waren. Auch der Mythos vom Wilden Westen wäre ohne Leder wohl kaum denkbar. Doch Leder steht nicht nur für Freiheit und Abenteuer, es schmeichelt auch unserer Haut und betört unsere Augen. Auf Grund seiner außergewöhnlichen Eigenschaften – Leder ist extrem robust, wasserundurchlässig, und dabei trotzdem atmungsaktiv und dehnbar – eignet sich das Material für Autositze und Sessel ebenso wie für Lederbekleidung und Schuhe, bis hin zu edlen Handtaschen. Wie gefragt Leder ist, zeigt ein Blick auf die Lederindustrie, die jährlich weltweit bis zu 80 Milliarden Euro erwirtschaftet. Alleine in Deutschland lag der Umsatz der Lederindustrie im Jahr 2017 bei etwa 3,5 Milliarden Euro (Quelle: Statista).
Genmanipulierte Hefezellen statt Tierhaut
Doch die Lust auf Leder hat auch eine dunkle Seite: Millionen getöteter Tiere, unmenschliche Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bangladesch und Indien, und, nicht zu vergessen, die immensen Umweltschäden, die mit der Herstellung von Leder noch immer verbunden sind. Dass es auch anders geht, will nun das amerikanische Startup Modern Meadow – was soviel wie „Moderne Weide“ heißt – beweisen. Die Firma hat sich in New Jersey, nur wenige Kilometer von der U.S.-Metropole New York City entfernt, in den ehemaligen Räumen des Pharmagiganten Roche eingerichtet. Eigentlich wollte Firmengründer Andras Forgacs ja die Fleischindustrie revolutionieren – mit im Labor gezüchteten Hamburgern. Doch zu strenge Zulassungsregeln im Lebensmittelsektor sowie der aktuell noch viel zu hohe Preis der gezüchteten Buletten, gekoppelt mit den nur geringen Margen in der Lebensmittelindustrie, haben Forgacs eine Kehrtwende machen lassen.
Anstelle von Fleisch setzt das junge Unternehmen nun voll auf im Labor gezüchtete Tierhaut. Den ursprünglichen Ansatz, nämlich mit Hilfe von Tissue Engineering Hautzellen zu züchten und daraus das Strukturprotein Kollagen, den Hauptbestandteil von Leder, zu isolieren, hat Modern Meadow auch verworfen. Anstelle von anspruchsvollen Hautzellen nutzt das Unternehmen nun die viel leichter zu handhabenden Hefezellen, die in der Pharmaindustrie seit langem zur Herstellung von Proteinen genutzt werden. Um nun an den Ledergrundstoff Kollagen zu gelangen, wurde den Hefen mittels molekularbiologischer Verfahren das Kollagen-Gen eingebaut. Die so modifizierten Einzeller werden anschließend in Fermentationstanks mit Zucker gefüttert und verdoppeln sich so im Idealfall alle 90 Minuten, so dass in wenigen Tagen, unter optimalen Kulturbedingungen, aus einer einzigen Hefezelle Milliarden kollagenproduzierender Organismen entstehen.
Zoa, die saubere Lederalternative
Die einzelnen Kollagenmoleküle lagern sich wegen ihrer speziellen Aminosäuresequenz spontan zu sogenannten Tripelhelices zusammen. Über die Ausbildung kovalenter Quervernetzungen entstehen daraus Kollagenfibrillen und diese widerrum lassen sich zu kabelartigen Bündeln, den Kollagenfasern, zusammenfassen. Die Fasern, die sich wie Tierhaut färben lassen, sollen echtem Leder in nichts nachstehen, dabei aber das Etikett ökologisch und nachhaltig produziert tragen. Mit der Herstellung von Kollagen in Hefezellen konnte Modern Meadow erstmalig die Lederherstellung von der Landwirtschaft entkoppeln und in einen sauberen biotechnologischen Prozess überführen. Das Endprodukt aus dem Fermenter, das den Namen Zoa™ trägt, muss nicht gegerbt werden und es ist außerdem frei von tierischen Substanzen. Dies hat zwei Vorteile: Erstens, es fallen keine umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien an und zweitens, es könnten sogar Veganer – ganz ohne schlechtes Gewissen – wieder der Lederlust frönen.
Vom Labor ins Museum
Ein erstes Produkt gibt es auch schon, doch bei dem mit einem Zoa-Lederstreifen durchzogenen T-Shirt soll es natürlich nicht bleiben. In den Fashion Stores findet man das Zoa-Shirt zwar noch nicht, aber in die Kunsttempel von New York City hat es das außergewöhnliche Produkt bereits geschafft: Nach einer Pop-up Ausstellung im New Yorker Kunstviertel SoHo war die Innovation von Oktober 2017 bis Januar 2018 sogar im renommierten Museum of Modern Art zu sehen. Das Besondere an dem von Suzanne Lee, Chefdesignerin bei Modern Meadow, entworfenen Teil, es hat keinerlei Nähte. Derartige Produkte können nur deshalb realisiert werden, sagt sie, weil das bei der Hefefermentation entstehende Kollagen in flüssiger Form vorliegt und sich deshalb auch im Sprühverfahren verarbeiten lässt. Neben der sauberen und nachhaltigen Produktion hat Zoa aber noch weitere Vorteile, die Gründer Forgacs kürzlich in einer US-Zeitung erläuterte: Anders als Tierhäute hätte Zoa weder störende Narben noch Insektenstiche. Diese Mängel würden dafür sorgen, dass 20 bis 30 Prozent der Häute für die Lederproduktion ungeeignet seien und verloren gingen. Nachteile, die es bei biotechnologisch erzeugtem Leder nicht gäbe. Außerdem, so Forgacs, ließe sich Zoa nicht nur in gleichbleibender Qualität, sondern auch in allen gewünschten Formen und Größen herstellen.
Ziel: Fashion-Revolution
Geht es nach Modern Meadow, soll das Leder aus der Retorte deshalb schon bald eine echte Fashion-Revolution einleiten. Damit diese gelingt, arbeiten insgesamt 70 Mitarbeiter aus den Bereichen Molekularbiologie, Materialwissenschaften, Ingenieurwesen und Design an der Vision des Gründers. Zielgruppe ist vorerst das Luxussegment, denn nur hier ließen sich laut Forgacs einerseits die noch hohen Produktionskosten decken, und andererseits die Margen erzielen, die auch den ökonomischen Erfolg sichern. An Anfragen von verschiedenen Luxuslabels mangelt es der Firma angeblich nicht. Und damit der Einstieg ins Luxussegment problemlos gelingt hat Modern Meadow die Luxusveteranen Anna Baks (früher in leitender Position bei Michael Kors), Mimma Viglezio (früher in der Kommunikation bei Gucci) and François Kress als Berater angeheuert. Eine erste Forschungs- und Entwicklungskooperation mit einer bekannten Luxusmarke soll bereits in trocknen Tüchern sein. Läuft alles wie geplant, könnten schon in diesem Jahr erste Produkte mit Zoa den Markt erobern. Auch wenn das vegane Leder hinsichtlich des Preises wohl noch lange nicht mit konventionellem Leder mithalten kann, seine Produktion folgt dem Nachhaltigkeitsgedanken und setzt auf Tierwohl und beides greift weltweit immer mehr um sich.