Appell der deutschen Universitäten im September 1914

Im September 1914 wehrten sich die Universitäten Tuebingen, Berlin, Bonn, Breslau, Erlangen, Frankfurt, Freiburg, Giessen, Goettingen, Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Kiel, Königsberg, Leipzig, Marburg, Muenchen, Münster, Rostock, Strassburg und Wuerzburg gegen die ihrer Meinung nach systematische Lügen- und Verleumdungskampagne, die seit Jahren gegen das deutsche Volk und Reich geführt wurde und alles seit Ausbruch des Krieges übertroffen haben soll. Der Originaltext ist hier zu lesen.

Die systematische Lügen- und Verleumdungskampagne, die seit Jahren gegen das deutsche Volk und Reich geführt wird, hat seit Ausbruch des Krieges alles übertroffen, was man selbst der skrupellosesten Presse hätte zutrauen können. Es obliegt den betreffenden Behörden, die gegen unseren Kaiser und seine Regierung erhobenen Anschuldigungen zu widerlegen. Sie haben dies getan, und ihre Verteidigung wird durch eindrucksvolle Beweise untermauert. Wer die Wahrheit wissen will, kann sie erfahren, und wir vertrauen darauf, dass die Wahrheit sich durchsetzen wird.

Wenn wir aber zusehen sollen, wie unsere Feinde, von Neid und Bosheit geleitet, schamlos genug sind, unsere Armee und mit ihr unser ganzes Volk barbarischer Gräueltaten und sinnloser Zerstörungswut zu bezichtigen, und wenn ihre Behauptungen bei Neutralen und an Orten, die uns zu anderen Zeiten wohlgesonnen waren, bis zu einem gewissen Grade geglaubt werden; wenn wir all dem stillschweigend zusehen müssen, fühlen wir, die berufenen Sachwalter der Kultur und der Bildung in unserem Vaterland, uns verpflichtet, die Zurückhaltung, die uns unsere Berufung und unsere Stellung auferlegen, durch einen starken Ausdruck des Protestes zu durchbrechen.

Deshalb appellieren wir jetzt an die gelehrten Körperschaften, mit denen wir bisher gemeinsam im Interesse der höchsten Ideale des Menschengeschlechts gearbeitet haben und mit denen wir auch in dieser Zeit, in der Hass und Leidenschaft die Welt beherrschen und die Gemüter der Menschen verwirren, hoffen, im gleichen Geist, im gleichen Dienst der Wahrheit zu bleiben.

Wir appellieren an sie in der festen Überzeugung, dass unsere Stimme Gehör finden und der Ausdruck unserer ehrlichen Empörung auf Glauben stoßen wird. Wir appellieren ferner an die Wahrheitsliebe und den Gerechtigkeitssinn der vielen Tausende in aller Welt, die als willkommene Gäste in unseren Bildungseinrichtungen am Erbe der deutschen Kultur teilhaben und so Gelegenheit hatten, das deutsche Volk in friedlicher Arbeit, seinen Fleiß und seine Redlichkeit, seinen Sinn für Ordnung und Disziplin, seine Ehrfurcht vor geistiger Arbeit jeder Art und seine tiefe Liebe zu den Wissenschaften und Künsten zu beobachten und zu schätzen.

Ihr alle, die ihr wißt, daß unser Heer kein Söldnerheer ist, sondern das ganze Volk vom ersten bis zum letzten umfaßt, daß es von den besten Söhnen des Landes geführt wird und daß in dieser Stunde Tausende aus unserer Mitte, Lehrer wie Schüler, als Offiziere und Soldaten auf den Schlachtfeldern Rußlands und Frankreichs ihr Lebensblut vergießen; Sie, die Sie selbst gesehen und gehört haben, in welchem Geiste und mit welchem Erfolg unsere Jugend behandelt und unterrichtet wird, und daß nichts tiefer in ihr Gemüt eingeprägt ist als Ehrfurcht und Bewunderung für künstlerische, wissenschaftliche und technische Schöpfungen des menschlichen Geistes, gleichgültig, welches Land und welche Nation sie hervorgebracht hat; wir rufen Sie, die Sie dies alles wissen, als Zeugen auf, ob es wahr sein kann, was unsere Feinde berichten, dass das deutsche Heer eine Horde von Barbaren und eine Bande von Brandstiftern ist, die sich daran erfreuen, wehrlose Städte dem Erdboden gleichzumachen und ehrwürdige Denkmäler der Geschichte und Kunst zu zerstören.

Wenn Sie der Sache der Wahrheit die Ehre geben wollen, werden Sie ebenso wie wir der festen Überzeugung sein, dass die deutschen Truppen, wo immer sie Zerstörungsarbeit zu leisten hatten, dies nur in der Bitterkeit des Verteidigungskampfes tun konnten. Aber wir appellieren an alle, die von den verleumderischen Berichten unserer Feinde erreicht werden und die noch nicht ganz von der Leidenschaft verblendet sind, im Namen der Wahrheit und der Gerechtigkeit ihre Ohren vor solchen Beleidigungen des deutschen Volkes zu verschließen und sich nicht von denen vorverurteilen zu lassen, die immer wieder aufs Neue beweisen, dass sie hoffen, durch das Mittel der Lüge den Sieg zu erringen.

Wenn nun in diesem furchtbaren Kriege, in dem unser Volk nicht nur um seine Macht, sondern um seine Existenz und seine ganze Zivilisation zu kämpfen gezwungen ist, das Werk der Zerstörung größer sein sollte als in früheren Kriegen, und wenn so manche wertvolle Kulturleistung zu Grunde geht, die Verantwortung für all dies liegt ganz bei denen, die sich nicht damit begnügten, diesen rücksichtslosen Krieg loszulassen, ja, die nicht einmal davor zurückschreckten, mörderische Waffen auf eine friedliche Bevölkerung zu pressen, damit sie heimlich auf unsere Truppen fielen, die auf die Einhaltung der militärischen Gebräuche aller zivilisierten Völker vertrauten.

Sie allein sind die Schuldigen an allem, was hier geschieht. Auf ihre Köpfe wird das Urteil der Geschichte für die bleibenden Schäden fallen, die die Kultur erleidet.

Don't be shellfish...Share on Google+Share on LinkedInTweet about this on TwitterEmail this to someoneShare on Facebook