Zitteraal steht Pate für Biobatterie

Ein internationales Forscherteam hat das elektrische Organ des bis zu zwei Meter langen Zitteraals zur Entwicklung einer ganz besonderen Biobatterie animiert.

Bereits die erste primitive Batterie ähnelte in ihrem Aufbau dem elektrischen Organ eines Zitteraals. Ob sich ihr Erfinder, Alessandro Volta, mit seinen übereinandergeschichteten Kupfer- und Zinkplatten, die er mit durch Salzlake getränkten Textilien voneinander trennte, vom Zitteraal hat inspiriert lassen ist nicht überliefert. Ein internationales Forscherteam hat das elektrische Organ des bis zu zwei Meter langen Fisches nun aber zu einer Nachbildung animiert. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Forscher vom Adolph Merkle Institut der Universität Freiburg in der Schweiz zusammen mit ihren Kollegen von der University of California San Diego und der University of Michigan im Dezember im Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Macht die Idee des Forscherteams Schule, ließen sich künftig neben Herzschrittmachern, Hirnschrittmachern und Defibrillatoren auch implantierbare Medikamentenpumpen, Blutdruck- und Blutzuckermessgeräte sowie viele andere mit Miniatursensoren ausgestattete Gerätschaften sehr viel schneller realisieren. Auch wenn die Batterie nach Vorbild des Zitteraals im Prinzip auch nichts anderes ist als ein simpler elektrochemischer Prozess, sie hat unübersehbare Vorteile gegenüber einer konventionellen Batterie. Denn sie besteht aus einem biokompatiblen und flexiblen Material und ist deshalb für den Einsatz im Körper von Vorteil.

So funktioniert das elektrische Organ des Zitteraals.

So funktioniert das elektrische Organ des Zitteraals. Copyright: Adolph Merkle Institut

Im Aal sorgen 6.000 Zellen für 600 V Spannung

Der Strom wird in der Zitteraal-Batterie vom Prinzip her genau so erzeugt wie im elektrischen Organ des Aals, nur, dass anstelle von Zellen eben Hydrogelkapseln verwendet werden. Der Aal besitzt für die Spannungserzeugung 6.000 spezialisierte Muskelzellen, die Elektrozyten, die insgesamt rund 80 Prozent der Köperlänge des Fisches ausmachen. Jede einzelne Zelle fungiert dabei wie eine kleine Batterie: Strom fließt durch einen Nervenimpuls, der dafür sorgt, dass auf der Rückseite der Elektrozyten positiv geladene Ionen in die Zellen gepumpt werden, wodurch eine Potenzialdifferenz zum Ruhepotential von 140 mV entsteht. Da die Erregung aller Elektrozyten simultan erfolgt, addiert sich die geringe Potenzialdifferenz je Zelle zu einer Gesamtspannung von bis zu 600 Volt.

Hydrogelkapseln ersetzen Elektrozyten

So viel schafft die Nachbildung zwar noch lange nicht, aber immerhin 110 Volt konnten schon erreicht werden. Obwohl der von Tom Schroeder und Anirvan Guha – beide forschen am Adolph Merkle Institut – entwickelte Aufbau auf den ersten Blick sehr viel komplizierter anmutet als das biologische Original, soll er ganz ähnlich funktionieren. Die vier verschiedenen Hydrogelkapseln, die die Elektrozyten ersetzen, werden mit Hilfe eines 3D-Druckers auf zwei biegsame Plastikfolien gedruckt. Die unterschiedlich farbigen Gelkapseln unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung, sind aber wie die Elektrozyten-Säulen des Aals zur Spannungsaddition in Reihe angeordnet. Um einen Stromfluss zu ermöglichen, enthalten die roten Kapseln Salzwasser, die blauen, die sich auf der gleichen Folie befinden, sind mit Süßwasser gefüllt. Dieser Aufbau hat zur Folge, dass Ionen aus dem Salzwasser in das Süßwasser diffundieren, sobald sich beide Kapseln berühren. Da eine Spannung erst durch Ladungstrennung entsteht, mussten die Forscher einen Trick anwenden: sie nutzen grüne und gelbe Hydrogelkapseln, die sie auf eine zweite Folie drucken, als eine Art Brücke zwischen den blauen und roten Gelkapseln. Auf diese Weise gelingt ihnen die Steuerung des Ionenflusses. Denn die grünen Gelkapseln lassen nur positiv geladene Natrium-Ionen aus den roten Kapseln passieren, die gelben sind dagegen nur durchlässig für negativ geladene Chlorid-Ionen. Presst man nun beide Folien so zusammen, dass die grünen und gelben Kapseln exakt zwischen den roten und blauen Kapseln zu liegen kommen, baut sich über die blauen Kapseln hinweg eine Spannung auf – ganz ähnlich wie beim elektrischen Organ des Zitteraals.

Vorbild Zitteraal: Durch die richtige Anordnung der Hydrogelkapseln fließt ähnlich wie beim Zitteraal ein Strom.

Vorbild Zitteraal: Durch die richtige Anordnung der Hydrogelkapseln fließt ähnlich wie beim Zitteraal ein Strom. Copyright: Adolph Merkle Institut

Mehr Leistung durch Origami

Gelingt es den Wissenschaftlern, Probleme wie Betriebsdauer, Leistungsdichte und Größe in den Griff zu bekommen, könnten bald völlig neue Implantate und Sensoren entstehen. Für die Herausforderungen Leistung und Größe hat sich Kooperationspartner Max Shtein, Ingenieur an der University of Michigan, bereits eine höchstinteressante Lösung ausgedacht: Um den exakt gleichen Stromfluss auf einer kleineren Fläche zu konzentrieren, kam Shtein die Idee mit der Miura-Faltung, dies ist eine spezielle Form von Origami. Durch diese spezielle Faltung entstehen aus den flachen bedruckten Bögen kleine Hydrogelstapel, mit denen Shtein immerhin schon eine 40-fach höhere Leistungsdichte als bei den flachen Bögen erreichen konnte. Auch wenn der Wert noch immer unter den 600 Volt des Zitteraals zurückliegt, die Idee besitzt Potenzial.

Zukunftsvision: Selbstaufladung im Körper

Auch für das andere kniffelige Problem, die Betriebsdauer der Batterie, hat Projektleiter Michael Mayer von der Uni Freiburg bereits eine Vision. Denn leider krankt die Biobatterie an den gleichen Problemen wie herkömmliche Batterien auch: sobald sich die unterschiedlichen Konzentrationen an positiven und negativen Ladungen ausgeglichen haben, fließt kein Strom mehr. Damit müsste auch die biokompatible Batterie regelmäßig ausgetauscht werden. Mayer träumt deshalb von einer kontinuierlichen Selbstaufladung im Körper. Vor allem die Mobilisierung von Ionengradienten wie beispielsweise dem Magensaft könnte sich der Wissenschaftler vorstellen, hält aber auch eine Umwandlung von Muskelenergie in elektrische Energie für möglich. Theoretisch wären solche Ansätze denkbar, bis sie jedoch praktische Anwendung finden, dürfte noch etwas Zeit vergehen.

Quellen
Universität Fribourg (Schweiz) – www.unifr.ch/unicom/de
Artikel: Schroeder, TBH et al., An electric-eel-inspired soft power source from stacked hydrogels, Nature; 14th December 2017

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