Was hat Diabetes mit BSE zu tun?

Fehlernährung und mangelnde Bewegung sind wichtige Risikofaktoren für Typ 2 Diabetes. Ein Forscherteam aus Texas glaubt nun aber, dass neben dem Lebensstil noch ein ganz anderer Spieler die Erkrankung anheizt. Die Texaner sind einem Prion-ähnlichen Mechanismus und damit so heimtückischen infektiösen Proteinen auf den Fersen, die für Krankheiten wie BSE (Rinderwahnsinn) und seiner humanen Variante, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, verantwortlich sind.

Prionen können im Organismus in normaler wie auch in pathogener Struktur vorliegen. Das Heimtückische an ihnen ist, dass sie ihre krankmachende Struktur irgendwie auf die gesunden Varianten des jeweiligen Proteins übertragen können. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Prionen auch bei Erkrankungen wie der Alzheimer Krankheit, Parkinson und der amytrophen Lateralsklerose (ALS) eine gewisse Rolle spielen. Dass aber auch Typ 2 Diabetes durch einen solchen Prozess angetrieben werden könnte, hatte bis dato kaum Jemand auf dem Schirm.

Wort Diabetes auf Holztäfelchen.

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Tatverdächtiger Inselamyloid

Dabei hätte man es ahnen können, meint Claudio Soto von der McGovern Medical School am University of Texas Health Science Center in Houston, schließlich fänden sich bei über 90 Prozent aller Typ 2 Diabetiker in den Insulin-produzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse Anhäufungen verklumpter Polypeptide. Soto und sein Team haben dabei ein ganz bestimmtes Hormon im Visier – fehlgefaltetes Inselamyloid-Polypeptid. Und wie ihre, kürzlich im The Journal of Experimental Medicine veröffentlichten, Ergebnisse zeigen, scheint fehlgefaltetes und verklumptes Inselamyloid tatsächlich ein interessanter Verdächtiger.

Prozess der Amyloidbildung unklar

Durch welchen initialen Prozess die Amyloid-Ablagerungen entstehen, ist bisher zwar noch unklar, doch Soto hat bereits eine Idee, wie es funktionieren könnte: Die Hormone Insulin und Amyloid würden beide in den Beta-Zellen der Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse gebildet und unterlägen damit den gleichen regulatorischen Mechanismen. Entstehe beispielsweise durch Fehlernährung eine Fettleibigkeit, käme es im fortgeschrittenen Stadium häufig zu einer Insulinresistenz. Diese abnehmende Sensitivität der Zellen gegenüber Insulin werde dann durch immer mehr Insulin ausgeglichen, wobei aber auch vermehrt Inselamyloid gebildet werde. Dies könnte der Anfang eines Teufelskreises sein, an dessen Ende schließlich der Tod der Beta-Zellen stehe. Das ist aber nicht die einzige Theorie, möglich wären auch Mutationen, die in einer Überproduktion des Inselamyloids resultieren und so den Teufelskreis der Beta-Zellen-Zerstörung in Gang setzen könnten.

Für und wider Prion-Theorie

Die gewagte These aus Texas teilen auch andere Wissenschaftler – wenn auch mit deutlichen Einschränkungen. „Das Inselamyloid könnte tatsächlich zum Fortschreiten von Typ 2 Diabetes beitragen“, sagt auch Andreas Lechner, der am Diabeteszentrum der LMU München die Entstehung von Typ 2 Diabetes beim Menschen erforscht. Der Mediziner stellt aber gleichzeitig klar, dass das Polypeptid wohl nur ein Faktor sei und dass es bei der Entstehung der Krankheit vermutlich überhaupt keine Rolle spiele. Die Studien der texanischen Forscher zeigen etwas anderes, auch wenn nicht ganz klar ist, ob das Tiermodell hier für gewisse Verzerrungen sorgt. Denn um ihre These wissenschaftlich zu untermauern, bauten die texanischen Forscher ihren Mäusen mit Hilfe gentechnischer Verfahren nicht nur das Gen des menschlichen Inselamyloids ein, sie sorgten mit ein paar molekularbiologischen Tricks auch dafür, dass die Inselzellen der Mäuse das menschliche Amyloid in sehr großen Mengen produzierten. Und genau hier sieht Mediziner Lechner das Problem, denn das Modell hält er für sehr artifiziell: „Die genetische Veränderung im Mausmodell führte zur Synthese von so viel Amyloid, dass alleine das schon zu einer Einschränkung der Insulinproduktion und zu den erhöhten Blutzuckerwerten führt.“

Tiermodell bestätigt Prioneninfektion

Tatsächlich zeigten die gentechnisch veränderten Mäuse nach einigen Wochen nicht nur einen handfesten Typ 2 Diabetes mit erhöhtem Blutzuckerspiegel und einer verminderten Glukosetoleranz, es waren auch mehr als 60 Prozent ihrer Beta-Zellen abgestorben. Um ihre These von der Prioneninfektion weiter zu untermauern, führten die Forscher zwei weitere Versuche durch: im Ersten entnahmen sie den diabetischen Mäusen die Bauchspeicheldrüse, homogenisierten das Gewebe und injizierten es gesunden Mäusen, also solchen, die korrekt gefaltetes Amyloid produzierten. Und tatsächlich entwickelten auch diese Tiere nach einiger Zeit einen Typ 2 Diabetes und produzierten große Mengen an fehlgefaltetem Amyloid. Das gleiche Ergebnis zeigte sich in Versuch zwei mit kultivierten menschlichen Beta-Zellen: Auch hier ging das korrekt gefaltete Amyloid nach Zusatz des Bauchspeicheldrüsenextraktes diabetischer Mäuse in die fehlgefaltete Struktur über und die Beta-Zellen starben nach und nach ab.

Ist Diabetes ansteckend?

Beide Versuche, sagt Soto, bestätigten die These, dass sich fehlgefaltetes Amyloid wie infektiöse Prionen verhalte. Das bedeute aber nicht, dass Diabetes, ähnlich einer Grippe, von Mensch zu Mensch übertragen werden könne, schlussfolgert der Forscher. Auch Mediziner Lechner glaubt nicht, dass Typ 2 Diabetes eine ansteckende Prionenerkrankung ist und er führt folgende Gründe an: „Die Epidemiologie spricht eindeutig dagegen. Außerdem ist Typ 2 Diabetes in frühen Stadien reversibel, anders als die Prionenerkrankungen des Zentralnervensystems. Beides spricht eindeutig gegen eine Prioneninfektion als Ursache.“ Soto sieht das etwas anders, er kann sich vorstellen, dass Diabetes durch Bluttransfusion oder Organtransplantation übertragen werden könnte, denn im Falle neurodegenerativer Prionenerkrankungen sei dies ja der Fall. Darüber hinaus schließt Soto auch nicht aus, dass Diabetes auch durch den Verzehr von Lebensmittel übertragen werden könnte, wenn beispielsweise Fleisch von Tieren verzehrt würde, deren Bauchspeicheldrüse größere Ansammlungen von verklumptem Amyloid enthielte.

Prionentheorie bisher nur eine Hypothese

Eine Aussage, die Lechner nicht unterschreiben kann, der Mediziner glaubt weder an eine Übertragung durch Bluttransfusion und Organtransplantation, noch sieht er einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Fleisch und der Entstehung von Diabetes Typ 2: „Insgesamt sollte man in der Wissenschaft neue Hypothesen natürlich nie unmittelbar ablehnen, aber es gilt auch in diesem Fall: „Extraordinary claims require extraordinary evidence“, und das ist mit dieser einen Studie sicherlich nicht gegeben.“ Interessant seien aber die mechanistischen Untersuchungen zur Amyloidbildung in Langerhans-Inseln, vor allem mit Blick auf den fortgeschrittenen, insulinpflichtigen Typ 2 Diabetes, meint Lechner. „Hier könnte eine Behandlung, die sich gezielt gegen die Amyloidbildung richtet, evtl. sogar einer Subgruppe von Patienten helfen“, sagt er, auch wenn das gegenwärtig nicht viel mehr als Spekulation sei.

Quelle: Journal of Experimental Medicine

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