Einen durchschlagenden Erfolg mit seinem Antisense-Wirkstoff konnte jüngst der im kalifornischen San Diego beheimatete RNA-Spezialist Ionis Pharmaceuticals (Ionis) vermelden. Das Unternehmen, das vor 2015 unter dem Namen Isis Pharmaceuticals firmierte, befasst sich schon seit 1989 mit Antisense-Wirkstoffen. Also solchen Medikamenten, die durch Bindung an RNA-Moleküle Auswirkungen auf die Proteinsynthese haben. Mit der EU-Zulassung von Spinraza® gegen die seltene Erkrankung „Spinale Muskelatrophie“ gelang Ionis kürzlich auch der Durchbruch in Europa.
Ionis glänzt mit finanzstarken Partnern
Spinraza® ist ein Gemeinschaftsprodukt mit US-Biotech-Schwergewicht Biogen, das damit in den USA bereits einen Umsatz von etwa 200 Millionen US-Dollar erwirtschaftet. Etwas mehr als 10 Prozent davon fließt in die Kasse von Ionis. Das Geschäftsmodell „Auslizenzierung an finanzstarke Partner“ will CEO Stanley T. Crooke auch in Zukunft beibehalten, an der Vermarktung eigener Produkte sei man nicht interessiert, sagt er. An finanzstarken Partnern scheint es dem Unternehmen auf jeden Fall nicht zu mangeln, das bestätigt ein Blick auf die Webseite: Mit Roche, Bayer, Novartis, AstraZeneca und Glaxo Smith Kline tummelt sich dort das „Who is Who“ der Pharmabranche.Proof of Concept gelungen
Dass Antisense-Medikamente tatsächlich wirken, konnte Ionis mit Spinraza® nun zeigen. Das Stück synthetische RNA klinkt sich beim Prozess des mRNA Spleißens, also beim Umbau von „roher“ in „reife“ mRNA ein. Beim Spleißprozess werden nicht-codierende Sequenzen, sogenannte Introns, aus der mRNA entfernt, so dass die zurückbleibenden Exons an den Ribosomen in Proteine umgeschrieben werden können. Bei Spinaler Muskelatrophie (SMA) wird aus der mRNA des Survival Motor Neuron Proteins (SMN-Protein) fälschlicherweise auch ein Exon entfernt, was zu einem funktionsuntüchtigen Protein führt. Und weil dieses Protein für die Nervenzellen des Rückenmarks existenziell ist, sterben diese bei SMA einfach ab. Und weil dadurch die Skelett- und Atemmuskulatur degeneriert, sterben von SMA Betroffene meist noch vor Erreichen des zweiten Lebensjahres. Doch mit Spiranza® lässt sich die tödliche Krankheit nun zumindest verlangsamen. Weil das Medikament an die SMN-mRNA in den Nervenzellen des Rückenmarkts bindet, verhindert es, dass das für die Funktionstüchtigkeit des SMN-Proteins wichtige Exons entfernt wird.
Prall gefüllte Pipeline
Neben Spinraza® schlummern noch 30 weitere Kandidaten in der Pipeline. Inotersen und Volanesorsen haben kürzlich die Phase 3 der klinischen Entwicklung erfolgreich hinter sich gebracht. Ende August wurde der Zulassungsantrag für Volanesorsen, eine Gemeinschaftsentwicklung mit Akcea Therpeutics, die bei familiären Fettstoffwechselstörungen Einsatz finden soll, an die FDA überstellt. Auch für Inotersen, ein Kooperationsprojekt mit Glaxo Smith Kline, das eine besondere Form von Amyloidose kurieren soll, könnte demnächst der Zulassungsantrag anstehen. Doch nicht nur für seltene genetische Störungen, auch für Krankheiten wie Krebs, Multiple Sklerose, virale und bakterielle Infektionen oder auch Diabetes will Ionis schon bald Antisense-Wirkstoffe bereitstellen.
Zahlen und Ausblick
Die Erfolge des Unternehmens gingen auch am Aktienkurs nicht spurlos vorüber. Da das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis mit über 200 aber extrem hoch ist, sollten potenzielle Interessenten Vorsicht walten lassen. Spekulative Anleger könnten von der Volatilität profitieren, denn die Aktie schwankt mit einem Beta von über 3 immerhin dreimal so stark wie der Gesamtmarkt. Im ersten Halbjahres 2017 lag das operative Ergebnis bei 54 Millionen, das Nettoergebnis bei 43 Millionen US-Dollar. Der Gesamtumsatz war mit 214,5 Millionen US-Dollar fast dreimal so hoch wie der Vorjahresumsatz (75,3 Mio.). Die Kooperationspartner überwiesen in der ersten Jahreshälfte mehr als 380 Millionen US-Dollar und die Bargeldreserven kletterten auf 855 Millionen US-Dollar. Für weitere Kursfantasie bei Ionis könnten neben den Zulassungen auch die demnächst anstehenden Phase 1 und Phase 2 Daten von neun weiteren Wirkstoffen aus der Pipeline sorgen.