A2 Milch – ein Trend erobert die Welt

A2 Milch ist in aller Munde. Der Trend, dessen Siegeszug in Neuseeland begann, erobert nach Australien, China und Großbritannien nun auch die USA. Europa könnte der nächste Markt für die neuseeländische Milch sein. Höchste Zeit also, zu hinterfragen, was dran ist an A2 Milch?

Ist A2 Milch gesundheitlich überlegen?

Ist A2 Milch konventioneller Milch tatsächlich gesundheitlich überlegen, wie uns die Werbung suggeriert? Oder steckt dahinter vielleicht doch nur eine clevere Vermarktungsstrategie? A2 Beta-Casein und sein Gegenspieler, das A1 Beta-Casein, das mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht wird, sind mengenmäßig die häufigsten Beta-Casein-Varianten in Kuhmilch. Im Gegensatz zu A2 Milch, die nur A2 Beta-Casein enthält, liegt in der A1 Milch, also der Milch aus dem Supermarkt, ein Gemisch aus A1 und A2 Beta-Casein vor.

Nur eine Aminosäure macht den Unterschied

Doch was ist nun der Unterschied zwischen A1 von A2 Beta-Casein und weshalb wird nur ersteres mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht? Geschmacklich unterscheidet sich reine A2 Milch nicht von A1 Milch. Denn mit den Sinnen lässt sich die Punktmutation, die sich durch Domestizierung vor allem in europäischen Rinderrassen verbreitete und zur Entstehung von A1 Beta-Casein führte, nicht erfassen. Der Geschmack ist also zweitrangig, entscheidend ist vielmehr, dass die erwähnte Mutation zum Austausch einer Aminosäure im Beta-Casein führte. Und dieser Austausch hatte Folgen: Denn nur das mutierte A1 Protein, das an Position 67 anstelle der Aminosäure Prolin die Aminosäure Histidin trägt, wird im Darm genau an dieser Stelle gespalten und setzt dabei ein Heptapeptid mit Opioid-Charakter frei.

Bedenken gegen BCM-7 gibt es schon lange

Exakt dieses Heptapeptid mit Namen Beta-Casomorphin-7 (BCM-7) soll nun für mögliche negative Wirkungen auf unsere Gesundheit verantwortlich sein. Bedenken gegen A1 Beta-Casein bestehen schon lange. In den frühen 80er Jahren fand das MONICA (Multinational MONitoring of trends and determinants in CArdiovascular disease) Projekt der Weltgesundheitsorganisation, das in 21 Ländern durchgeführt wurde, einen Zusammenhang zwischen A1 Beta-Casein in Kuhmilch und den Erkrankungen Typ 1 Diabetes und Koronare Herzkrankheit. Seither haben verschiedene Studien diese Zusammenhänge untersucht und teilweise bestätigt, aber auch andere Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus oder den plötzlichen Kindestod mit der Protein-Variante in Verbindung gebracht. Doch um derart komplexe Krankheitsbilder auszulösen, müsste BCM-7 aus dem Darm ins Blut bzw. ins Gehirn gelangen. Bekannt ist, dass das aus A1 Beta-Casein freigesetzte BCM-7 relativ stabil gegenüber weiterer enzymatischer Hydrolyse ist, so dass es in relevanten Mengen in die Darmepithelzellen gelangen und hier eine Wirkung an subendotheliale Opiatrezeptoren auslösen könnte. Wie Studien zeigen, wirkt BCM-7 tatsächlich Opioid-ähnlich: Es verlängert die Darmpassage und trägt – wie auch exogene Opiate – zu Obstipation, also Verstopfung, bei. Nicht ausreichend geklärt ist bisher, ob intaktes BCM-7 in relevanten Mengen aus dem Darm ins Blut oder sogar ins Gehirn gelangt, um dort mögliche negative Wirkungen auszulösen.

Das gesamte Sortiment der A2 Milk Company. Quelle & Rechte: A2 Milk Company

Das gesamte Sortiment der A2 Milk Company. Quelle & Rechte: A2 Milk Company

Nur ein cleverer Marketingtrick?

Studien der New Zealand Food Safety Authority wie auch European Food Safety Authority sprachen in 2008 von einer nicht ausreichenden Evidenz. Dennoch wird Corran McLachlan, Gründer der A2 Milk Company, nicht müde, die gesundheitlichen Vorteile reiner A2 Milch immer wieder zu betonen. Für die internationale Vermarktung seiner Produkte hat das Unternehmen ein nicht unerhebliches Marketingbudget eingeplant, das bereits Erfolge zeigt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die von McLachlan ins Leben gerufene A2-Hypothese eine hitzige Debatte zwischen Befürwortern und Skeptikern entfacht hat und zunehmend auch in der Öffentlichkeit und in der Presse thematisiert wird. Vor allem die aggressive Vermarktungsstrategie ist es, die Skeptiker auf den Plan ruft. Sie kritisieren, McLachlans Hypothese verfolge nur ein Ziel: A2-Milch zu einem deutlich höheren Preis an die Konsumenten zu bringen.

Umsatzboom in Australien

Was 2000 in Neuseeland als ein Nischenprodukt begann, scheint immer mehr Menschen zu überzeugen. In Australien beispielsweise findet A2-Milch bereits reisenden Absatz, sie besitzt einen Marktanteil von 10 Prozent und rühmt sich, das am schnellsten wachsende Frischmilchprodukt in Down Under zu sein. Auch in China und den USA steht A2-Milch bereits in ausgewählten Supermärkten und Europa könnte bald folgen, wie der britische Ableger der A2 Milk Company jüngst verkündete. Trotz McLachlans Erfolgen und seinen Expansionsbestrebungen zucken Molkereien hierzulande bisher mit keiner Wimper. Noch sehen die Milchverarbeiter in A2 Milch einen Trend, der umso schneller vorüberzieht, je weniger man ihn beachtet. Doch erste Landwirte sehen das anders, sie versprechen sich ein Zusatzgeschäft zu ihrer aktuell eher schlecht bezahlten Milch.

Erste Landwirte setzen auf A2 Milch

Ein solcher Landwirt ist Christoph Gerden aus der Eifel. 2016 ließ er die beta-Casein-Gene seiner Milchkühe testen und trennte anschließend die reinen A2 Milch-Produzenten vom Rest seiner Herde. Die A2 Milch verkauft er seitdem, und zwar äußerst erfolgreich wie er sagt, unter dem Namen „Eifeler Urmilch“ direkt an den Endverbraucher. Erst vor wenigen Wochen sorgte Andreas Kraus aus Augsburg für A2 Milch-Schlagzeilen. Auch Kraus ließ seine Tiere testen und verkauft nun als erster bayerischer Landwirt A2 Milch in seiner stählernen Kuh unter dem bezeichnenden Namen „Wohlfühlmilch“. Dass A2 Milch tatsächlich besser verträglich ist als A1 Milch, daran zweifeln weder Gerden noch Kraus, schließlich würden ihre Kunden fast ausnahmslos von einer besseren Verträglichkeit berichten. Selbst solche, die unter einer Laktoseintolarenz litten, könnten seine A2 Milch trinken, sagt Kraus.

Verpasst Deutschland den Zug?

In den Niederlanden hat man das Potenzial erkannt, dort hat die Veco Groep in einer Pressemitteilung lanciert, den Verkauf von A2 Milch groß aufziehen zu wollen und die Milch unter dem Namen „A2A2“ schon bald in die Regale von Plus und Coop zu bringen. Und auch die Lobbyvereine der amerikanischen Milchproduzenten stellen sich auf A2 Milch ein. „Sollte das Interesse in den USA weiter steigen, sagt David Darr, Geschäftsführer von Dairy Farmers of America, werden wir Möglichkeiten suchen, um die A2 Milchproduktion auch unseren Farmern zu ermöglichen.“ Fakt ist: Immer mehr Menschen glauben, Milch aus dem Supermarkt nicht mehr zu vertragen. Ob das nun Einbildung ist oder ob A1 Beta-Casein doch mehr Einfluss auf unser Wohlbefinden hat als wir glauben, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig beantworten.

Neuseeland hofft auf „Health Claim“

Die Neuseeländische Regierung stört dies nicht, sie hat die Marke a2 Milk™ bereits als High-Value-Nutrition eingestuft und bezieht sich dabei vor allem auf immer mehr Studien, die von einer positiven Wirkung auf den menschlichen Darm sprechen. Um das Ganze mit einem Health Claim zu untermauern, haben die Regierung von Neuseeland und die A2 Milk Company eine Studie an der University of Auckland finanziert. Gemeinsam mit der AgResearch Limited, die 650.000 Euro an Fördergeldern erhielt, sollen die Wissenschaftler mögliche präventive Effekte von A2 Beta-Casein auf den menschlichen Darm untersuchen.

Eine Systematische Übersichtsarbeit zum Thema A1/A2 Milch wird gerade am Kompetenzzentrum für Ernährung in Freising erstellt.

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