Mit dem Projekt „Clean Cow“ will die Niederländische DSM die Kuh umfreundlich machen und so zum Klimaschutz beitragen.
Hinter dem Akronym DSM verbirgt sich „De Nederlandse Staatsmijnen“ oder „Dutch State Mines“. Mit Kohle hat das 1902 vom Niederländischen Staat gegründete Unternehmen heute allerdings nichts mehr am Hut. Mit über 200 Niederlassungen und Tochtergesellschaften weltweit hat sich DSM zu einem international agierenden Konzern gemausert. Der weltgrößte Vitaminhersteller beschäftigt etwa 25.000 Mitarbeiter, generiert einen Jahresumsatz von rund 9 Milliarden Euro und ist an der Euronext in Amsterdam gelistet.
„Clean Cow“, die umweltfreundliche Kuh
Mit seinen Kernkompetenzen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und innovative Materialien konkurriert DSM mit so bekannten Namen wie BASF, Celanese oder Clariant. Doch mit dem Projekt „Clean Cow“, das unter Mitarbeit des Chemikers Maik Kindermann entstand, will die Firma ein bisher konkurrenzloses Produkt entwickeln.
Das Besondere an „Clean Cow“, es könnte zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen und eine bedeutende Rolle im Klimaschutz einnehmen. Hinter „Clean Cow“ steht die unscheinbare chemische Verbindung 3-Nitrooxypropanol (3-NOP), die Kindermann im Rahmen des „Molecular Modelings“ aufgespürt hat. Das besondere an 3-NOP, es hemmt ein Enzym, das im Pansen von Wiederkäuern an der Methansynthese beteiligt ist.
Kleines Molekül ganz groß
„Wer die Zahlen der FAO (Food and Agricultural Organisation) und die Klimaschutzziele von Paris vor Augen hat, kann das wachsende Interesse an 3-NOP gut nachvollziehen“, sagt Projektleiter Kindermann.
Zur Erinnerung: Laut FAO werden heute 14,5 Prozent der weltweiten Treibhausgase mit der Viehhaltung in Verbindung gebracht, ca. 44 Prozent des vom Menschen emittierten Methans stammt aus der Landwirtschaft, ein Großteil entsteht im Pansen von Wiederkäuern.
Doch Methan ist weit mehr als ein potenter Klimakiller, für die Tiere bedeutet seine Synthese einen Verlust an Nahrungsenergie. Energie, die zur Herstellung von Milch oder Fleisch genutzt werden könnte, wird in Form von Methan einfach in die Luft geblasen. Für Kindermann steht das Potenzial von 3-NOP deshalb außer Frage. Und wenn 3-NOP die Zulassungsbehörden in Europa und den USA von seiner Sicherheit überzeugen kann, dann dürfte Kindermann Recht behalten, schließlich gilt der Klimaschutz als eines der drängendsten Probleme der modernen Gesellschaft.
Hohe Spezifität – gutes Sicherheitsprofil
„In Milch konnten wir bisher keine Spuren von 3-NOP finden und auch in Fleisch wurden bis jetzt keine bedenklichen Abbauprodukte gefunden“, erläutert Kindermann. „Außerdem ist die hohe Spezifität des Moleküls ein Pluspunkt bezüglich des Sicherheitsprofils“, führt der Chemiker, der seit 2009 an diesem Projekt arbeitet und 2018 auf die Fertigstellung des Zulassungsdossiers hofft, weiter aus.
Inzwischen, so Kindermann, läuft das übliche Prozedere: Toxikologische und analytische Tests, Optimierung der Formulierung und Etablierung des Herstellungsprozesses. Den genauen Wirkmechanismus von 3-NOP hat ein internationales Team von Wissenschaftlern zusammen mit der DSM Forschungsabteilung aufgeklärt und im renommierten Fachjournal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) publiziert. Demnach wirkt das Molekül 3-NOP im aktiven Zentrum des Enzyms Methyl-Coenzym-M-Reduktase, das in Archaebakterien des Pansens die Methansynthese katalysiert. Dabei soll 3-NOP das Nickelatom des Enzyms oxidieren, wodurch dieses zeitweise seine katalytische Fähigkeit einbüße.
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Laut einer Studie mit Hochleistungskühen in den USA senkte bereits eine sehr geringe Menge an 3-NOP die Methansynthese um 30 Prozent, gleichzeitig nahmen die Tiere im Vergleich mit den Kontrolltieren 80 Prozent mehr an Gewicht zu. „Damit konnten wir die Hypothese bestätigen, dass die nicht zu Methan umgewandelte Energie, je nach Laktationsstadium, tatsächlich entweder zum Gewebeaufbau oder zu einer erhöhten Milchproduktion genutzt werden könnte“, so Kindermann.
3-NOP könnte also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Kosten für seinen Einsatz könnten durch mehr Fleisch und/oder Milch wettgemacht werden und der ökologische Fussabdruck in der Viehzucht käme den Wünschen einer zunehmend umweltbewussten Gesellschaft näher.
Nutrition-Geschäft wächst
Seit 2008 liegt der Konzernumsatz von DSM ziemlich stabil zwischen 9 und 9,5 Milliarden Euro (Quelle: Statista). 2015 setzte DSM etwas mehr als 8,9 Milliarden Euro um. Im 2. Quartal 2016 lag der Umsatz bei gut 3,9 Milliarden Euro, wobei vor allem das im Schweizer Kaiseraugst ansässige Nutrition-Geschäft wuchs – um vier Prozent, auf fast 2,55 Milliarden Euro. Beim Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) verbesserte sich das Nutrition-Geschäft um 15 Prozent auf 462 Millionen Euro. Die EBITDA-Marge (Verhältnis von Umsatz zu EBITDA) wuchs von 16,5 auf 18,2 Prozent. Durch die gesteigert Nachfrage nach Tiernahrung konnte alleine im Nutrition-Geschäft im zweiten Quartal ein organisches Wachstum von 9 Prozent erzielt werden. Ab 2018 sollen zudem jährliche Einsparungen von bis zu 300 Millionen Euro auch den Gewinn wieder anziehen lassen.
Die enzymatische Methansynthese im Detail
Das Enzym Methyl-Coenzym-M-Reduktase katalysiert den letzten Schritt der biologischen Methansynthese. In der katalytischen Reaktion wird der Methylthioether Methyl-Coenzym M mit dem Thiol Coenzym B zu Methan und dem entsprechenden Heterodisulfid umgesetzt, wobei Energie frei wird:
Me-S-CoM + CoB-SH → CH4 + CoB-S-S-CoM ΔG°’ = −30 kJ mol−1.
Da 3-NOP ein Strukturanalogen von Methyl-Coenzym M ist, kann es zwar dessen Platz einnehmen, verfügt aber nicht über dessen Funktion. Das entscheidende Ni-Atom im aktiven Zentrum des Enzyms Methyl-CoM Reduktase wird von 3-NOP reversibel von der Oxidationsstufe +1 in +2 überführt, wodurch das Enzym die katalytische Fähigkeit zur Methan-Synthese verliert.