Schöne neue Essenswelt

Milch ohne Kühe, Hühnchenfleisch ohne Hühner und ein Joghurt gegen das Altern. Diese schöne neue Essenswelt sollen schon bald unseren Speiseplan bereichern. Sind das fixe Ideen oder haben sie tatsächlich eine Chance auf Erfolg?

Wenn es nach den zahlreichen Startups geht, die weltweit wie Pilze aus dem Boden schießen, soll die konventionelle Landwirtschaft schon bald Geschichte sein. Die Ideen, die von einer nachhaltigen Essenswelt, hergestellt im Labor, träumen, haben bereits das Interesse hochkarätiger Investoren wie Microsoft und Google auf den Plan gerufen. Auch das University College Cork in Irland, das mit dem Programm indieBio Jungforscher aus aller Welt anlockt, hat schon einige innovative Startups wie Muufri und Ageria hervorgebracht, die die neue Essenswelt antreiben.

Die neue Essenswelt setzt auf Milch, die nie eine Kuh gesehen hat.

Die Bioingenieure Ryan Pandya und Perumal Gandhi haben sich damit ihren Traum von der ersten nachhaltig produzierten Milch erfüllt. Die Milchproteine lassen die Pioniere von modifizierten Hefen herstellen, in die sie die Gene der sechs Schlüsselproteine der Milch eingebaut haben. Die Hefen werden anschließend in einer speziellen Nährlösung vermehrt und die Milchproteine nach einigen Tagen „geerntet“. Das Verfahren ist nicht neu, zur Herstellung therapeutischer Proteine wird es schon lange genutzt. Neu ist aber, dass es jetzt auch in die Lebensmittelproduktion einzieht.

Zwar besteht Milch nicht nur aus Proteinen. Doch durch Zusatz von Wasser, Mineralstoffen, Zucker und modifizierten Pflanzenfetten entsteht tatsächlich so etwas Ähnliches wie Milch. Um das milchtypische Aroma nachzustellen, das durch ein Gemisch spezieller Fettsäuren zustande kommt, nutzten die Gründer die Erkenntnisse aus der Aromaforschung. Diese zeigt: Das Aroma von Milch wird von nur acht Fettsäuren bestimmt und genau diese haben die Bioingenieure durch chemische Modifikation von Pflanzenfetten gewonnen.

Unterschied zwischen konventioneller Milchproduktion und Muufri-Herstellung.

Unterschied zwischen konventioneller Milchproduktion und Muufri-Herstellung. Credit: New Harvest

Doch wie steht es um den Geschmack?

Kann die „vegane“ Milch geschmacklich tatsächlich mit echter Milch mithalten? Gründer Pandya meint ja, denn um den sensorischen Eindruck von Kuhmilch zu erwecken, seien weniger als 20 Kompo-nenten nötig, und exakt diese seien ja in Muufri enthalten. Doch der Geschmack ist nicht alles, Muufri fehlen dennoch viele Mikronährstoffe, die echte Kuhmilch erst so ernährungsphysiologisch wertvoll machen. Vor allem das komplexe Milchfett wurde lange falsch eingeschätzt und wird gerade umfangreich untersucht. Dennoch hätte Muufri gegenüber konventionell hergestellter Milch einen riesigen Vorteil, so die Gründer: Weil es keine Bakterien enthalte, sei es länger haltbar und müsse nicht gekühlt werden, so lasse es sich problemlos in die ganze Welt verschicken. Außerdem lässt sich Muufri ganz leicht ohne Milchzucker herstellen und wäre so auch den 75 Prozent der Weltbevölkerung zugänglich, die unter Laktoseintoleranz leiden.

Dies sind wichtige Gründe für einen künftigen Erfolg. Das glauben auch die Analysten der Rabobank, die Muufris zukünftigen Erfolg an Bevölkerungswachstum, Einkommenszuwächsen in Entwicklungsländern und der zunehmenden Urbanisierung bis 2020 festmachen. Und weil der Prototyp bereits überzeugt hat, soll die Milch aus dem Fermenter, die doppelt so teuer wie konventionelle Milch sein soll, noch in diesem Jahr den Markt erobern.

Auch das Startup Ageria will ein Milchprodukt verändern.

Die Jungforscher Corey Howe aus den USA, Andreas Stürmer, Alexander Gfrerer und David Weichselbaum, alle drei aus Österreich, wollen mit schnödem Joghurt das Altern bekämpfen. Dazu will das Quartett unscheinbare Milchsäurebakterien in probiotische Wunderwaffen verwandelt haben. Damit normaler Joghurt zu ihrem „Youngurt“ wird, sei keine Gentechnik nötig, betonen die Gründer. Mit Unterstützung von Prof. Colin Hill vom Cork University College gelang es, die Bakterienkulturen alleine durch natürliche Genregulation zu einer höheren Syntheseleistung des Stoffes S-Adenosyl-L-Methionin (SAM) zu bewegen. SAM kommt in allen lebenden Zellen vor und scheint dort in den Alterungsprozess einzugreifen.

Ein wichtiger Faktor des Alterns ist oxidativer Stress.

Dabei schädigen reaktive Sauerstoffspezies, so genannte Radikale, bestimmte Bestandteile von Zellen. SAM soll den dadurch bedingten Alterungsprozess auf zweierlei Weise verlangsamen: Erstens, durch eine höhere Menge an Glutathion, das Antioxidans fängt freie Radikale ab und schützt so die Zellen vor Oxidation. Außerdem liefert SAM zur Synthese von Spermidin eine Amino-Propylgruppe und unterstützt so den Prozess der Autophagie, durch den geschädigte und gealterte Zellen entsorgt werden. Im Tierversuch wurde diese Wirkung schon bestätigt: Die Lebensspanne der Versuchstiere stieg dabei um bis zu 30 Prozent.

Die Bank von Irland zeichnete die Idee 2015 mit dem Startup Award aus. Auch wenn sich Tierversuche nur begrenzt auf Menschen übertragen lassen, der Euphorie der Gründer tut dies keinen Abbruch. Noch in diesem Jahr soll der Jungbrunnen mit dem bezeichnenden Namen in den Läden stehen und damit das erste Produkt am Markt mit stabilem Spermidin sein. Weichselbaum ist überzeugt, „Youngurt“ könnte nicht nur zahlreiche Zivilisationskrankheiten, sondern sogar die Alterung von Haut und Haar bremsen.

Einen völlig anderen Ansatz verfolgt Memphis Meat.

Der Gründer und Geschäftsführer des in San Francisco ansässigen Unternehmens, Uma Valeti, hat sich dem Trend zu „clean meat“ verschrieben und will uns Fleisch aus dem Brutschrank schmackhaft machen. Dazu vermehrt Valeti tierische Zellen in optimierten Nährlösungen zu fleischähnlichen Gebilden. Ganz neu ist das zwar nicht, doch Memphis Meat hat bereits verschiedene Fleischsorten erfolgreich kultiviert. Im vergangenen Jahr waren es Fleischbällchen aus dem Muskelgewebe von Kühen, nun folgten Hühner- und Entenfleisch. Bei der jüngsten Verkostung der ersten im Labor hergestellten Hühnchenstreifen sprach Valeti von einem historischen Moment für die „clean meat“ Bewegung. Doch auch wenn die Testesser keinen geschmacklichen Unterschied zwischen echtem Huhn und dem Fleisch aus der Retorte feststellen konnten, der baldigen Markteinführung stehen die horrenden Produktionskosten im Weg. So kostet ein Pfund Hühnchenfleisch heute noch satte 9.000 Dollar (€ 8.449). Valeti ist aber zuversichtlich, die Kosten bis 2021 im Griff zu haben, und auch auf Serum von Kälbern und Küken, die aktuell noch zur Kultivierung benötigt werden, will er bald verzichten.

Memphis Meat CEO Uma Valeti bestaunt die Herstellung seines Hühnchensandwiches.

Memphis Meat CEO Uma Valeti bestaunt die Herstellung seines Hühnchensandwiches. Credit: Memphis Meat

2021 soll das klimaneutrale Fleisch marktreif sein.

Dann soll es zuerst einmal den 200 Milliarden Dollar (€ 188 Mrd.) schweren US-Fleischmarkt aufmischen. Vom Erfolg ist der Gründer überzeugt, nicht zuletzt wegen der Nachhaltigkeit seiner Produkte. Denn mit Fleisch aus dem Labor ließen sich ein großer Teil der weltweiten Klimagase aus der Viehzucht sowie der enorme Wasserverbrauch der Branche deutlich verringern. Gelingt die Kostenreduktion, wäre für Absatz wohl gesorgt: Denn die UN Food and Agriculture Organization rechnet damit, dass Hühnchenfleisch bis 2020 das am meisten konsumierte Fleisch weltweit sein dürfte.

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