Lithium-(Li)-Ionen-Akkus glänzen noch immer mit den höchsten Energiedichten, doch der Energiehunger unserer elektronischen Helfer läßt ihre Schwachstellen immer deutlicher zu Tage treten. Weltweit tüfteln Wissenschaftler deshalb an neuen Ansätzen für leistungsfähigere Akkus. Die am weitesten fortgeschrittene Alternative sind der Li-Schwefel-Akku.
Typische Li-Ionen-Batterien bestehen aus drei Teilen: einer mit Graphit beschichteten negativen Elektrode (Anode) und einer mit Lithium-Metalloxid beschichteten positiven Elektrode (Kathode), und damit Lithium-Ionen problemlos von einer Elektrode zur anderen wandern können, muss die Zelle noch mit einem extrem reinen, wasserfreien Elektrolyten gefüllt sein. Damit ein Kurzschluss vermieden wird, sind beide Elektroden, der Plus- und der Minuspol, durch einen Separator getrennt, den die winzigen Li-Ionen aber problemlos passieren können. Wird die Batterie nun geladen, wandern positiv geladene Li-Ionen durch den Separator in die Graphit-Schicht und lagern sich dort ab. Während der Entladung wandern die Ionen wieder zurück zur Kathode, die dabei freiwerdende elektrische Energie wird zum Betrieb elektronischer Geräte wie Smartphone oder Laptop genutzt.
Li-Ionen-Akku noch immer der Goldstandard
Dass Li-Ionen-Akkus heute noch immer als Goldstandard gelten, liegt an mehreren Vorteilen: Sie besitzen nach wie vor die höchsten Energiedichten, verlieren bei langem Nichtladen nur einen kleinen Teil ihrer Ladung und leiden nicht am Memory-Effekt*, worunter man einen Kapazitätsverlust versteht, der durch häufige Teilentladung entsteht. Dies sind die Gründe, weshalb Elektronikkonzerne weltweit Li-Ionen-Akkus in ihre Smartphones, Tablets, Laptops und Digitalkameras einbauen. Aktuellen Studien zufolge wurden in 2015 über sieben Milliarden Li-Ionen-Akkus verbaut. Doch der wachsende Energiehunger elektronischer Geräte stellt Akku-Hersteller weltweit vor große Herausforderungen.
Eine immer leistungsfähigere Elektronik, datenhungrige Apps und wachsende Bildschirmgrößen lassen unsere elektronischen Helfer an sich zu schnell entleerenden Batterien leiden und machen die Nachteile von Li-Ionen-Akkus deutlich:
- Lange Ladezeiten,
- geringe Speicherkapazität,
- Leistungsabfall durch zunehmende Miniaturisierung,
- ein relativ hohes Gewicht,
- Empfindlichkeit gegenüber extremen Temperaturen.
Nicht zu vergessen, die Gefahr von Überhitzung durch Reaktion mit dem Elektrolyten, ein Problem, das Nutzer eines Samsung Galaxy Smartphones jüngst schmerzlich erfahren mussten.
Li-Schwefel-Akku im Wettlauf um den besten Smartphone-Akku
Und weil Not erfinderisch macht, ist in der Forschung ein Wettlauf um die nächste Akku-Generation entbrannt. Schnellere Ladezeiten und eine höhere Leistung, bei gleichzeitig weniger Temperaturempfindlichkeit, stehen dabei besonders hoch im Kurs. Das Feld ist heiß umkämpft, welche Batterie sich letztlich durchsetzen wird ist offen. Gemein ist allen Lithium-Ionen-Alternativen, bis zur Marktreife können noch einige Jahre ins Land ziehen. Atanaska Trifonova vom Austrian Institute of Technology (AIT) glaubt, dass Li-Ionen-Batterien noch mindestens 15 Jahre der Goldstandard für Laptops, Kameras und Handys bleiben werden. Von allen Alternativen hätte aber der Li-Schwefel-Akku die beste Chancen, meint auch Trifonova, die innerhalb der nächsten fünf bis 10 Jahre mit ersten Li-Schwefel-Akkus auf dem Markt rechnet.
Ein Li-Schwefel-Akku besitzt zahlreiche Vorteile
In Li-Schwefel-Batterien findet im Gegensatz zu Li-Ionen-Batterien ein Multielektronentransfer statt. Das Element Schwefel stellt also eine höhere Kapazität zur Verfügung, was für die Batterie theoretisch eine höhere Energiedichte bedeutet. Doch eine Wechselwirkung zwischen Lithium und Schwefel, die kettenähnliche Strukturen, so genannte Polysulfide, hervorbringt, hat den Durchbruch des Li-Schwefel-Akkus bisher vereitelt. Da diese Polysulfide nach mehreren Lade- und Entladezyklen in den Elektrolyten gelangen, verliert die Batterie auf Dauer aktives Material. Dies ist der Grund, weshalb sich der Li-Schwefel-Akku deutlich schneller entlädt, obwohl er fünf- bis achtmal mal mehr Energie speichern könnte. Der Lösung dieses Problems sind heute zahlreiche Forscherteams auf der Spur.
Größtes Herausforderung, die Zyklenstabilität
Am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) nutzt Holger Althues, Gruppenleiter „Chemische Oberflächentechnologie“, Schwefel als Komposit mit Kohlenstoff für die Kathode, für die Anode kommt Lithium-Metall als Folie oder Beschichtung zum Einsatz. Seine Li-Schwefel-Prototypen brachten es zuletzt auf Energiedichten von bis zu 400 Wh/kg und hatten damit immerhin mehr als doppelt so hohe Energiedichten als herkömmliche Li-Ionen-Akkus, die heute bei 150 bis 200 Wh/kg liegen. Doch bis auch Smartphones in den Genuss des neuen Akkus kommen, dürften laut Althues noch mindestens sieben Jahre ins Land ziehen. Solange sollte es mindestens dauern, das Problem der Zyklenstabilität zufriedenstellend zu lösen.
An der Universität Waterloo in Kanada versuchen Wissenschaftler um Linda Nazar diese Zyklenstabilität mit Hilfe ultradünner Nanobeschichtungen aus Oxiden zu verbessern. Nach mehreren Versuchen sind Nazar und ihr Team aktuell bei einer Schicht aus Mangandioxid gelandet, welche die bei der Degradation von Schwefel entstehenden Polysulfide effizient abfangen soll. Dass die Methode funktioniert, dafür sprechen die mehr als 2.000 Lade-/Entladezyklen, die Nazar und ihr Team damit erzielen konnten.
Nach dem Vorbild des menschlichen Darmes
Den bisher innovativsten Lösungsansatz aber verfolgen Forscher aus England und China. Ihre Smartphone-Batterie der Zukunft setzt auf ein Strukturelement des menschlichen Dünndarms, sogenannte Mikrovilli. Das sind nur etwa 0,1 µm dicke fadenförmige Gebilde, die den Bürstensaum der Dünndarmschleimhaut bilden. Gemeinsam mit den fingerförmigen Ausstülpungen, den Darmzotten, vergrößern sie die Oberfläche des Darms, tragen zu einer effizienten Resorption von Nahrung bei und sind für den Stoffaustausch verantwortlich.
Forschern des Instituts für Technologie in Peking und des Departments Science & Metallurgy der Universität Cambridge ist es nun gelungen, ein sehr leichtes nanostrukturiertes Material zu entwickeln, welches den fadenförmigen Mikrovilli im Dünndarm nicht nur ähnelt, sondern auch seine Funktion imitieren soll. Im Li-Schwefel-Akke der Zukunft bedeckt eine Schicht der Villi-ähnlichen Strukturen aus winzigen Zinkoxid-Nanodrähten die Oberfläche einer der Batterieelektroden. Hier geht es direkt zur Veröffentlichung der Uni…
Auf Grund der entstehenden Oberflächenvergrößerung und der hohen Bindungsaffinität von Zinkoxid gegenüber Polysulfiden, werden letztere von den Nanodrähten gebunden, gelangen also nicht mehr in den Elektrolyten und bleiben so elektrochemisch zugänglich. Der Materialverlust ist gestoppt. Auch wenn der Ansatz erst ein „Proof of Principle“ ist und eine kommerziell verfügbare Li-Schwefel-Batterie auf Basis des menschlichen Darms noch einige Jahre entfernt sein dürfte, das Projekt besitzt Potenzial. Denn die besondere Struktur der Mikrovilli erhöhte nicht nur die Anzahl der Lade- und Entladezyklen deutlich, die Pilot-Batterie besaß auch eine fünfmal so hohe Energiedichte als heute übliche Li-Ionen-Akkus.
*Als Memory-Effekt wird der Kapazitätsverlust bezeichnet, der bei sehr häufiger Teilentladung eines Ni-Cd-Akkus mit gesonderten Elektroden und anderer Akku-Typen auftritt. Der Akku scheint sich den Energiebedarf zu „merken“ und mit der Zeit, statt der ursprünglichen, nur die bei den bisherigen Entladevorgängen benötigte Energiemenge zur Verfügung zu stellen.