Künstliches Blatt imitiert Photosynthese

Die Photosynthese ist einer der komplexesten biochemischen Vorgänge in der Natur und Ursprung allen Lebens auf der Erde. Könnten wir Sonnenenergie ähnlich nutzen wie Pflanzen, unser Energiesorgen gehörten ein für allemal der Vergangenheit an. Ein erster Schritt in diese Richtung gelang nun einem interdisziplinären Team aus den USA.

Daniel Noceras künstliches Blatt ist besser als die Photosynthese.

Daniel Noceras künstliches Blatt ist besser als die Photosynthese. Quelle und Rechte: Harvard Gazette; Photo: Rose Lincoln, Harvard


Die Photosynthese ist noch nicht im Detail verstanden, bekannt ist aber, dass sie aus einer Licht- und einer Dunkelreaktion besteht. In der Lichtreaktion, Photolyse genannt, wird Wasser unter Elektronenabgabe zu molekularem Sauerstoff und Protonen (Wasserstoff-Ionen) gespalten. Die Elektronen dienen zur Reduktion des Co-Enzyms NADP+ zu NADPH, die freiwerdende Energie wird in Form von ATP gespeichert. In der anschließenden Dunkelreaktion entstehen dann aus anorganischem Kohlendioxid, unter Verbrauch von ATP, energiereiche organische Verbindungen.

Eine clevere Verbindung – Chemie trifft auf Biologie

Die Photolyse kann schon seit geraumer Zeit, mehr oder weniger effizient, im Labor nachgestellt werden. Doch das im Juni im Fachmagazin Science vorgestellte Hybridsystem, ist eine echte Neuheit. Wir nennen unser System „bionisches Blatt“, erklärt Pamela Silver, weil es ein biologisches System mit einem cleveren Stück anorganischer Chemie koppelt. Um den Traum vom Blattäquivalent Realität werden zu lassen, hat Daniel Nocera, Patterson Rockwood Professor für Energie an der Harvard Universität, sein halbes Leben an dieser Idee getüftelt. Mit der biologischen Expertise von Pamela Silver, Professorin für Biochemie und Systembiologie an der Harvard Medical School, konnte der Idee nun Leben eingehaucht werden.

Künstliches Blatt hat Ähnlichkeit mit einem Hamburger

Auf den ersten Blick hat das künstliche Blatt mit seinem natürlichen Pendant nicht viel gemein, es ähnelt eher einem Sandwich und Nocera vergleicht es am liebsten mit einem Burger von Mac Donald’s. Das Sandwich besteht aus einem Stück Silicium Wafer, dem eigentlichen Hamburger, der auf beiden Seiten mit je einem spezifischen Katalysator beschichtet ist, den beiden Brötchenhälften. Eine isolierende Membran unter dem ersten Katalysator vergleicht Nocera lapidar mit dem Käse.

Taucht man dieses Sandwich bei Raumtemperatur und Normaldruck in ein Glas Wasser und lässt Licht darauf fallen, entfaltet sich spontan eine Art Lichtreaktion. Der dabei fließende Strom lädt das Blatt auf, der Cobalt-Phosphat Katalysator spaltet auf einer Seite des Wafers Wasser in molekularen Sauerstoff und Protonen, letztere diffundieren auf die andere Seite, wo eine Nickel-Zink Legierung sie zu Wasserstoff reduziert.

Effizienter als das Original

Für die Dunkelreaktion sind gentechnisch modifizierte Ralstonia eutropha, die zu den lithoautotrophen Bakterien zählen, zuständig, sagt Nocera. Mit speziellen Hydrogenasen (NiFe-Metalloproteine) oxidieren die Bakterien den vom künstlichen Blatt erzeugten Wasserstoff und gewinnen so Energie und Reduktionsäquivalente zur Fixierung von Kohlenstoff in organischen Verbindungen.

Was die Wissenschaftler zum Schwärmen bringt ist die Effizienz des Prozesses: Das Hybridsystem soll die Photosynthese um mehr als das Zehnfache übertreffen. Dabei wird Sonnenlicht mit einer Effizienz von 10,2 Prozent in Biomasse verwandelt, die natürliche Photosynthese schafft gerade einmal ein Prozent. Bei der Umwandlung von Sonnenlicht zu Fuselalkoholen wie Isopropanol, Isobutanol und Isopentanol soll die Effizienz aktuell 6,7 Prozent betragen.

Energie für Jedermann

Personalisierte Energie ist Noceras Vision und er hat dabei vor allem Haushalte in Entwicklungsländern im Visier. Mit nur 10 bis 15 Flaschen Wasser könne man schließlich soviel Energie erzeugen, dass ein Haus damit zwei Tage lang mit Strom versorgt werden könne, schwärmt Nocera. Damit dies gelingt, müssen die in der Lichtreaktion entstehenden Gase Wasserstoff und Sauerstoff aber getrennt voneinander gespeichert werden. Lässt man beide in einer Brennstoffzelle wieder aufeinandertreffen, erzeugt eine kontrollierte Knallgasreaktion Energie, die als Elektrizität genutzt werden kann. Das eingesetzte Wasser wird dabei zurückgewonnen.

Der steinige Weg zum künstlichen Blatt

Doch der Weg zum künstlichen Blatt war steinig, eine Herausforderung seien die Katalysatoren – die im künstlichen Blatt die Enzyme ersetzen – gewesen, erklärt Nocera. Die anfangs verwendete Nickel-Molybdän-Zink Legierung brachte als Nebenprodukt reaktive Sauerstoffspezies hervor, diese schädigten die DNA der Bakterien.

Probleme bereitete auch die Katalysator-Beschichtung des Silicium Wafers. Denn das Licht musste zuerst den Katalysator durchqueren, bevor es auf die photoaktive Schicht traf. Die dabei auftretenden Energieverluste verringerten die Effizienz der Photolyse. Bei ihren Versuchen, die Oberfläche so zu strukturieren, dass Licht direkt auf die photoaktive Schicht trifft, stießen Nocera und Silver auf RIPPLE.

Effizient und vielfältig einsetzbar

RIPPLE steht für „reactive interface patterning promoted by litographic electrochemistry“ und ähnelt dem Ätzprozess. Obwohl RIPPLE eine Zufallsentdeckung und der Mechanismus dahinter noch nicht vollständig verstanden ist, lässt er sich dennoch exakt kontrollieren und dauert nur wenige Minuten, bekräftigt Nocera. Das System ist also nicht nur effizient und vielfältig einsetzbar, auch die Katalysatoren sind einfach und vor allem günstig herzustellen. Das bionische Blatt ist deshalb nicht nur Auftakt zu einer nachhaltigeren Produktion von Elektrizität und chemischen Grundstoffen, es könnte sogar eine echte Erfolgsgeschichte werden.

Quellen
C. Liu, B. C. Colon, M. Ziesack, P. A. Silver, D. G. Nocera. Water splitting-biosynthetic system with CO2 reduction efficiencies exceeding photosynthesis. Science, 2016; 352 (6290): 1210 DOI: 10.1126/science.aaf5039

Webseite Harvard Universität: http://chemistry.harvard.edu/people/daniel-g-nocera

YouTube Video – Bionic Leaf Turns Sunlight Into Liquid Fuel (Harvard Universität): https://www.youtube.com/watch?v=2KRlRhNbxKg

YouTube Video – The Artificial Leaf – Renewable Energy – Horizons: https://www.youtube.com/watch?v=J556uXwrjII

Definition Ralstonia Eutropha
Ralstonia eutropha ist ein gram-negatives lithoautotrophes Bakterium und kommt in Erde und Wasser vor. Lithoautotrophe Mikroorganismen enthalten zusätzlich bestimmte Hydrogenasen und können Energie auch aus reduzierenden Verbindungen mineralischen Ursprungs gewinnen. Diese NiFe-Metalloproteine katalysieren die Oxidation von Wasserstoff und liefern Energie und Reduktionsäquivalente in Form von ATP und NADPH. Die Fixierung von Kohlendioxid in Form organischer Verbindungen erfolgt über den Calvin-Benson-Bassham Zyklus. Bei geringen Sauerstoffkonzentrationen kann Ralstonia eutropha organischen Kohlenstoff auch in Form von Poly[R-(–)-3-hydroxybutyrat] (PHB) in dafür spezialisierten Granula speichern.

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