Monsanto und die Nachlässigkeit von Journalisten

U.S. Right to Know deckt Nachlässigkeit bei der Berichterstattung um Glyphosat von Monsanto auf

(Quelle: U.S. Right to Know; übersetzt aus dem Englischen und kommentiert von nomonoma.de)

Die non-profit-Organisation „U.S. Right to Know“ hat journalistische Artikel im Englisch-sprachigen Raum untersucht, bei denen es um die Bewertung des von Monsanto hergestellten Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat geht. Der Fokus der Untersuchung lag auf der Angabe von Quellen und deren mögliche Interessenkonflikte.

Bedenkliche Ergebnisse

Kevin Folta nahm Geld von Monsanto für einen wissenschaftlichen Artikel und verneinte dies auf Nachfrage.

Kevin Folta nahm Geld von Monsanto für einen wissenschaftlichen Artikel und verneinte dies auf Nachfrage. Quelle: Facebook / GMO Free USA / Via Facebook: GMOFreeUSA

U.S. Right to Know konnte zeigen, dass Journalisten zahlreicher Artikel zu Glyphosat und genetisch veränderten Organismen mögliche Interessenkonflikte ihrer Quellen wohl weder untersucht, noch eindeutig kommuniziert hätten. Die Ergebnisse der Untersuchung sind nicht nur bedenklich, sie grenzen an Desinformation bzw. Meinungsmanipulation.

In ihrem Überblick zeigt die Verbraucherschutz-Organisation, dass 27 journalistische Artikel, veröffentlicht in renommierten Magazinen, Nachrichtenportalen und TV-Sendungen, sich auf Quellen beziehen, die nachweislich Gelder von Monsanto erhielten. U.S. Right to Know sieht dies als eine Abkehr vom journalistischen Wertesystem, mit den entsprechenden negativen Folgen für den unabhängigen Journalismus.

Quellen müssen überprüft werden

Wenn Journalisten über genetisch veränderte Lebensmittel, organisch-hergestellte Nahrung oder potenziell toxische Substanzen in unseren Lebensmitteln berichten und sich auf wissenschaftliche Quellen berufen, sollten sie deren Unabhängigkeit prüfen, fordert U.S. Right to Know. Leser hätten ein Recht darauf, zu erfahren, ob entsprechende Studien oder Wissenschaftler von Monsanto oder anderen Unternehmen gefördert würden, denn dies könne zu Interessenkonflikten beitragen. Nur durch eine entsprechende Offenlegung, ließen sich Informationen korrekt einschätzen und unbeeinflusste Meinungen zu wichtigen Themen bilden.

Wie Monsanto die Leser täuscht

Die Nichtangabe von Interessenkonflikten durch Journalisten, so U.S. Right to Know, würde zudem die Glaubwürdigkeit von Monsanto-geförderten Wissenschaftlern in einer nicht gerechtfertigten Weise erhöhen. Denn die Leser wären nicht in der Lage, den Wahrheitsgehalt der gemachten Aussagen kritisch zu hinterfragen. Verbraucherschützer, die, wie U.S. Right to Know, eine gegenteilige Meinung verträten, würden dagegen oft unglaubwürdig gemacht und gegenteilige Studien als „junk“, also Müll bezeichnet.

Auch U.S. Top-Medien fallen auf Monsanto herein

Die U.S. Right to Know Studie brachte ans Tageslicht, dass viele amerikanische Top-Medien Prof. Kevin Folta von der Universität Florida sowie den emeritierten Prof. Bruce Chassy von der Universität Illinois zitierten, ohne deren finanzielle Zuwendungen von Monsanto zu erwähnen. Laut vorliegenden Dokumenten, die auch in der New York Times veröffentlich worden waren, hatten Folta und Chassy Fördergelder von Monsanto erhalten.

Das Versagen des Journalismus, im Hinblick auf Interessenkonflikte zitierter wissenschaftlicher Quellen, ist kein Einzelfall, auch renommierte Medien und Publikationen sind betroffen. Veröffentlicht wurden derartige Artikel in der Washington Post, der New York Times, der Chicago Tribune und in wissenschaftlichen Publikationen wir Nature, Science Insider und Discover. Auch vor dem New Yorker, Wired, und The Atlantic machten die journalistischen Versäumnisse nicht halt. Und auch TV-Angebote von ABC und NPR ließen Interessenkonflikte der genannten Wissenschaftlern geflissentlich unter den Tisch fallen.

Nachfolgend eine Liste von Artikeln, die als Quellen Folta und Chassy zitieren, ohne jedoch zu erwähnen, dass diese Gelder von Monsanto erhalten haben.

Die Links zu den jeweiligen Artikeln finden Interessierte im Originalartikel.

1. New York Times: Taking on the Food Industry, One Blog Post at a Time. By Courtney Rubin, March 13, 2015. (Also ran in the Sarasota Herald-Tribune.)
2. New York Times: Foes of Modified Corn Find Support in a Study. By Andrew Pollack, September 19, 2012.
3. Washington Post: Kraft Mac & Cheese Just Got Duller. You Can Thank (Or Blame) ‘The Food Babe.’ By Michael E. Miller, April 21, 2015. (Also ran in the Chicago Tribune.)
4. Washington Post: Proof He’s the Science Guy: Bill Nye Is Changing His Mind About GMOs. By Puneet Kollipara, March 3, 2015.
5. Nature: GM-Crop Opponents Expand Probe Into Ties Between Scientists and Industry. By Keith Kloor, August 6, 2015.
6. NPR: Is The Food Babe A Fearmonger? Scientists Are Speaking Out. By Maria Godoy, February 10, 2015.
7. New Yorker: The Operator. By Michael Specter, February 4, 2013.
8. The Atlantic: The Food Babe: Enemy of Chemicals. By James Hamblin, February 11, 2015.
9. Wired: Anti-GMO Activist Seeks to Expose Scientists Emails with Big Ag. By Alan Levinovitz, February 23, 2015.
10. ABC News: Scientists Developing Hypo-Allergenic Apples. By Gillian Mohney, March 22, 2013.
11. Science Insider: Agricultural Researchers Rattled by Demands for Documents from Group Opposed to GM Foods. By Keith Kloor, February 11, 2015.
12. Columbia Journalism Review: Why Scientists Often Hate Records Requests. By Anna Clark,
February 25, 2015.
13. Discover: Open Letter to Bill Nye from a Plant Scientist. By Keith Kloor, November 10, 2014.
14. Discover: How to Balance Transparency with Academic Freedom? By Keith Kloor, February 27, 2015.
15. Discover: Anti-GMO Group Seeks Emails from University Scientists. By Keith Kloor, February 11, 2015.
16. Forbes: Zombie Retracted Séralini GMO Maize Rat Study Republished To Hostile Scientist
Reactions. By Jon Entine, June 24, 2014.
17. Forbes: Did The New Yorker Botch Puff Piece On Frog Scientist Tyrone Hayes, Turning Rogue into Beleaguered Hero? By Jon Entine, March 10, 2014.
18. Forbes: You Can Put Lipstick On A Pig (Study), But It Still Stinks. By Bruce M. Chassy and Henry I. Miller, July 17, 2013.
19. Forbes: Anti-GMO Scientist Gilles-Eric Seralini, Activist Jeffrey Smith Withdraw from Food Biotech Debate. By Jon Entine, May 29, 2013.
20. Forbes: Malpractice On Dr. Oz: Pop Health Expert Hosts Anti-GM Food Rant; Scientists Push Back. By Jon Entine, October 19, 2012.
21. Forbes: Scientists Smell a Rat In Fraudulent Genetic Engineering Study. By Henry I. Miller and Bruce Chassy, September 25, 2012.
22. Forbes: The Science of Things That Aren’t So. By Bruce Chassy and Henry I. Miller, February 22, 2012.
23. Des Moines Register: Consumers Are Misled About Organic Safety. By John Block, October 10, 2014.
24. Gainesville Sun: Genetically Modified Foods Face Hurdles. By Jeff Schweers, June 29, 2014.
25. Peoria Journal Star: Hybrid Crops That Used to Offer Resistance to Rootworm No Match for Mother Nature. By Steve Tarter, June 21, 2014.
26. Gawker: The “Food Babe” Blogger Is Full of Shit. By Yvette d’Entremont, April 6, 2015.
27. Louis Post-Dispatch: California Labeling Fight May Raise Food Prices for All of Us. By David Nicklaus, August 19, 2012.

Wissenschaftliche Unabhängigkeit hinterfragen

Dies sind nur einige Beispiele, wie professionelle Journalisten renommierte Professoren als Quellen für journalistische Artikel heranziehen, ohne jedoch eine mögliche Verbindung zu Monsanto zu hinterfragen, bzw., eine solche kenntlich zu machen. Die beiden erwähnten Professoren gelten als unabhängige Experten für gentechnisch veränderte Organismen und werden deshalb häufig zitiert.

Dass die genannten Professoren ihren Interessenkonflikt letztlich offen legten, lag einzig und alleine am Einsatz von U.S. Right to Know. Die Organisation hatte im Rahmen einer Anfrage – basierend auf dem Freedom of Information Act (FOIA) – Einsicht in verdächtige E-Mails gefordert und diese erhalten. Das Gesetz zur Informationsfreiheit wurde 1974 reformiert und gibt jedem US-Bürger das Recht, Zugang zu Dokumenten staatlicher Behörden zu verlangen.

E-Mail von Kevin Folat an Monsanto

In einer E-Mail verspricht Kevin Folta Monsanto einen "Return-on-Investment".

In einer E-Mail verspricht Kevin Folta Monsanto einen „Return-on-Investment“.

Hohe Dunkelziffer

Die Dunkelziffer solcher – bewusst oder unbewusst – verschleiernden Beiträge im Lebensmittel- und Ernährungssektor dürfte deutlich höher liegen als viele denken. Wobei nicht immer Absicht dahinter stecken muss, vielen Journalisten mangelt es an Zeit und Geld – beides ist Voraussetzung für eine gute Recherche. Hinzu kommt, das Vertrauen in renommierte Wissenschaftler wird meist nicht hinterfragt, da sie sich bereits als Experten etabliert haben.

U.S. Right to Know fordert deshalb: Journalisten sollten Studien genau lesen und ihre Gesprächspartner explizit nach Interessenkonflikten befragen. Im Falle Folta wäre aber selbst dies nicht ausreichend gewesen, denn Kevin Folta hatte wiederholt verneint, irgendwelche Verbindungen zu Monsanto zu besitzen, geschweige denn Geld vom Konzern angenommen zu haben.

Fazit: Journalisten wie auch Leser sollten wachsam sein, vor allem wenn es um Berichte geht, die, wie im Falle von Glyphosat und Monsanto, mit viel Geld in Verbindung stehen. Der beste Schutz gegen manipulative Informationen, die es in die Presse schaffen, ist deshalb eine gesunde Skepsis: Sowohl gegenüber Journalisten, als auch gegenüber deren Quellen.

Dieser Artikel wurde im Rahmen einer Kooperation mit der Organisation U.S. Right to Know aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und teilweise von uns kommentiert. Der Originalartikel kann auf der Webseite von U.S. Right to Know gelesen werden. Wir danken Gary Ruskin von U.S. Right to Know für seine Unterstützung und die exzellente Recherche.

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