ASCO: das Comeback der Immuntherapien

Das zum wichtigsten Ereignis in der Krebsforschung avancierte Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), das in diesem Jahr ganz im Zeichen der Immuntherapien stand, hatte vom 31. Mai bis 4. Juni in die US-Metropole Chicago geladen und 30.000 Besucher waren dem Ruf gefolgt.

ASCO 2013 in Chicago

Die Welt zu Gast auf dem ASCO Meeting in Chicago. Copyright: ASCO

Was 1964 mit nur etwa 70 Besuchern begann, hat sich zur wohl wichtigsten Veranstaltung in der Krebsforschung gemausert. Heute lockt das Treffen der American Society of Clinical Oncology jedes Jahr zehntausende Besucher in die USA, um in einem dickt gepackten Programm an nur vier Tagen aktuelle Innovationen aus der Krebsforschung zu diskutieren. 5.000 wissenschaftliche Abstracts aus allen Teilen der Welt buhlten in diesem Jahr um das Interesse der bis zu 30.000 Besucher. Die Veranstaltung machte aber auch eines klar, ohne ausreichend finanzielle Mittel werden sich die wissenschaftlichen Errungenschaften kaum in Fortschritte für alle Patienten transformieren lassen. Ein gesellschaftliches Dilemma, auf das ASCO Präsidentin Sandra Swain in ihrem Eröffnungsvortrag mahnend verwies.

Paradigmenwechsel

Sie heißen EGFR, HER2, PARP, PI3 Kinase, BRAF, ALK, RAS, RAF oder PD-1, sind Bestandteile wichtiger Stoffwechselwege die in Zellwachstum, Proliferation, Differenzierung oder das Überleben von Zellen involviert sind, und besitzen eine tragende Rolle bei der Entstehung von Krebs. Mit den Fortschritten in den Sequenzierungstechnologien ist das Wissen um wichtige Signalproteine und Risikomutationen sprunghaft angestiegen und ermöglicht schon heute Tumore auf Basis molekulargenetischer Charakteristika zu therapieren.

Gezielt wirkende Molekülstrukturen, die beispielsweise in Form von Antikörpern in universelle Zellstoffwechselwege eingreifen, anstatt Chemotherapie: So lautet das neue Paradigma auch in der Onkologie. In diesem Jahr hatte die ASCO das Immunsystem, dessen Wächterfunktion Tumore mit einer Vielzahl intelligenter Strategien immer häufiger umgehen, in den Fokus gestellt. Und ganz anders als sonst, dominierten in diesem Jahr vor allem die großen Pharmaunternehmen die Headlines der Tagespresse.

Auch wenn die Frage, wie man mit Hilfe des Immunsystems entarteten Zellen zu Leibe rückt, nur ein Themenkomplex gewesen ist, nichts beflügelte die Fantasie der Investoren und die Hoffnungen der Mediziner mehr als die neuen Immunstrategien. Im Mittelpunkt stand der T-Zellrezeptor PD-1 und sein Ligand PD-L1, beide erst kürzlich als Zielstrukturen einer ganz neuen Wirkstoffklasse entdeckt.

Gleich drei international agierende Pharmaunternehmen konzentrieren sich erfolgreich auf diesen neuen Stoffwechselweg. Während Merck und Bristol-Myers Squibb (BMS) PD-1 im Visier haben, zielen Roche und Tochter Genentech auf den zugehörigen Liganden PD-L1. Als Ziele für künftige Wunderwaffen werden Rezeptor und Ligand bereits frenetisch gefeiert. Und beim Melanom zeigte sich in Ansätzen bereits das Potenzial, das im neuen Signalweg schlummern könnte.

Immunsystem überlisten

Der PD-1-Rezeptor sitzt auf T-Zellen und ist gemeinsam mit seinem Liganden PD-L1 ein Schutzmechanismus des Körpers vor einer überschießenden Immunantwort. Wird der Rezeptor überexprimiert, kann dies allerdings fatale Folgen, auch für die Abwehr von Tumorzellen haben. Der BMS Antikörper Nivolumab und Mercks Pendant Lambrolizumab (MK-3475) sollen durch Wechselwirkung mit PD-1 die Bindung des physiologischen Liganden PD-L1 und damit ein zuviel an Immundämpfung verhindern.

Bleibt das dämpfende Signal auf T-Zellen aus, bleiben diese aktiv und sollten sich so erfolgreicher gegen entartete Zellen zur Wehr setzen können. Soweit die Theorie. Dass das neue Konzept tatsächlich aufgehen könnte, zeigt ein Blick auf die Studiendaten, die durchaus Anlass zur Hoffnung geben. Dass vor allem Nivolumab nicht nur mit Wirksamkeit sondern auch mit einem besonders guten Sicherheitsprofil punkten konnte, begeisterte nicht nur die Presse.

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