Freispruch für die Milch!

Gastbeitrag des KErn, Freising: Milch ist besser als ihr Ruf, sagt eine aktuelle Literaturstudie des Bayerischen Kompetenzzentrums für Ernährung

Wer im Internet nach Milch googelt wird sein blaues Wunder erleben. Die Vorwürfe gegen Milch treiben sanften Gemütern den Angstschweiß auf die Stirn und lassen jeden rational denkenden Menschen am Gesundheitswert der Milch zweifeln.

Ob Verschleimung, Diabetes, Osteoporose oder Krebs, kaum eine Befindlichkeitsstörung, die der Milch nicht angelastet wird. Das Kompetenzzentrum für Ernährung in Freising bei München hat im Rahmen einer Literaturübersicht fast 400 Studien untersucht.

Ihr Fazit: Milch ist zu Unrecht angeklagt.


Überlebensvorteil durch Milch


Titelbild der Kurzpublikation "Freispruch für die Milch!" des Kompetenzzentrums für Ernährung in Freising.

Die Kurzpublikation zur umfassenden Studie zur Milch des Kompetenzzentrums für Ernährung. Copyright: CC-Lizenz; Richard Bartz, Munich Makro Freak

Seit mehr als 7.000 Jahren trinkt der Mensch Kuhmilch, ohne davon krank zu werden. Die kleine Genmutation, die sich damals in das Laktase-Gen unserer Vorfahren eingeschlichen hat und ihnen die Verdauung der Laktose (Milchzucker) ermöglichte, führte zu einem enormen evolutionären Vorteil für unsere Spezies. Heute ist Milch auf Grund ihrer essentiellen Nährstoffe und zahlreichen Mikronährstoffe in 23 Ländern der Erde ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Dennoch, die Vorwürfe gegen die Milch wollen nicht abreißen – was sind Fakten, was Legenden?


Milch und das Reich der Mythen und Legenden


An der Mär von der Verschleimung durch Milch verdient heute eine ganze Industrie. Präparate zur Darmsanierung und Milchersatzprodukte – von Soja bis Mandel – lassen sich mit der nebulösen Angst vor Milch erfolgreich vermarkten. Auch deshalb hat sich der Mythos, der aus dem 12. Jahrhundert stammt, wohl bis in die Moderne gerettet. Ärzte, die es damals nicht besser wussten, empfahlen Asthma-Patienten auf Milch zu verzichten. Doch das Mittelalter liegt längst hinter uns und neuere Studien haben den Verschleimungsmythos ebenso entlarvt, wie die Angst vor einer Verschlimmerung von Asthma.

Für gute Absatzzahlen sorgen auch basische Nahrungsergänzungsmittel, die eine durch Lebensmittel ausgelöste Übersäuerung rückgängig machen sollen. Warum die Milch auch hier als Buhmann herhalten muss, hat viele Gründe. Ein Grund ist die Säure-Basen-Hypothese, die lange nicht widerlegt werden konnte und auch unter Wissenschaftlern umstritten ist.

Richtig ist: Milch zählt – wegen der Phosphoproteine und schwefeligen Aminosäuren (Methionin, Cystein) – eher zu den sauren Lebensmitteln. Zu einer Übersäuerung führt normaler Milchkonsum bei gesunden Menschen aber kaum, wie zwei aktuelle Metastudien belegen.

Weder lösen saure Lebensmittelbestandteile vermehrt Calcium und Bikarbonat aus dem Knochen noch scheint der Säuregrad der Ernährung einen relevanten Einfluss auf Calciumbilanz, N-Terminales Telopeptid – ein Marker für einen Knochenabbau – sowie Frakturhäufigkeit zu besitzen. Sauere Verbindungen erhöhen zwar die Calciumausscheidung im Urin. Das Gleichgewicht bleibt aber durch eine erhöhte Calcium-Rückresorption im Darm weitgehend unverändert.

Ergebnisse der amerikanischen Women’s Health Initiative assoziieren eine höhere Proteinzufuhr sogar mit einer besseren Knochengesundheit.

Für die Befürworter obiger Hypothese ist der Fall klar: sauere Milchbestandteile forcieren auch eine Osteoporose. Die Gegner insistieren, Milch schütze vor Osteoporose. Beide liegen leider falsch!

Das komplexe Krankheitsbild der Osteoporose hängt von zahlreichen Faktoren ab und ist durch die Ernährung nur wenig beeinflussbar. Obwohl Calcium nachweislich die Knochendichte erhöht, wie zahlreiche Studien bestätigen, eine Osteoporose kann es weder verhindern noch forcieren. Neben Genen, Körpergröße, Gewicht, Muskelmasse und körperlicher Aktivität spielen auch externe Faktoren eine Rolle. Zu Letzteren zählen die Lebenserwartung in einem Land sowie dessen geographische Lage.

Osteoporose ist primär eine Erkrankung des Alters. Die Prävalenz, also die Anzahl der Betroffenen, liegt in Ländern mit hoher Lebenserwartung deshalb meist höher – mit dem Milchverzehr hat dies weniger zu tun. Da das durch UV-Strahlung in der Haut gebildete Vitamin D am Calcium-Einbau in den Knochen beteiligt ist kann die geographische Lage Schutz- oder Risikofaktor sein.

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