Dieselabgase erhöhen Alzheimer-Risiko

Hinweise, dass Dieselabgase das Risiko für eine Alzheimer Erkrankung erhöhen könnten, gibt es schon länger. Seit kurzem werden die epidemiologischen Daten auch durch eine toxikologische Studie gestützt.

Der Dieselskandal hat hohe Wellen geschlagen. Doch während sich die Medien mit Schlagzeilen überschlagen und deutsche Politiker, Umweltschützer und die Automobilindustrie über den wahren Schuldigen diskutieren, bleiben, wie so oft, die gesundheitlichen Aspekte einer erhöhten Feinstaubbelastung auf der Strecke. Klartext kommt nur von der deutschen Umwelthilfe: Jürgen Resch spricht sogar von einem Todschlag durch die Autokonzerne. Annette Peters vom Helmholtzzentrum in München drückt es zwar nicht ganz so drastisch aus doch auch sie gehört zu den Warnenden. Die Professorin für Epidemiologie erforscht wie Luftschadstoffe das Risiko für verschiedene Erkrankungen erhöhen und spricht von einem Rückschlag für die Luftqualität. Gerade wer empfindliche Atemwege habe, spüre laut Peters eine erhöhte Schadstoffmenge in den Bronchien. Und Peters geht noch weiter, wer an stark befahrenen Straßen wohne, habe auf lange Sicht ein erhöhtes Risiko für Lungenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen oder Infarkte, meint sie. Außerdem würden immer mehr Beobachtungsstudien zeigen, dass solche Menschen im Schnitt sogar früher sterben würden.

Annette Peters vom Institut für Epidemiologie II erklärt, wie epidemiologische Studien den Zusammenhang zwischen Stickstoffdioxid und Gesundheitsrisiken wie Diabetes und Herzkreislauferkrankungen zeigen.

4,3 Millionen Tode im Jahr

Mit ihren Warnungen steht Peters nicht alleine, auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigt das Gesundheitsrisiko durch Schadstoffe aus dem Straßenverkehr, vor allem aus Dieselfahrzeugen. Dass dieses Risiko nicht marginal ist, zeigt die 2017 veröffentlichte World Health Statistics der WHO: Demnach fallen weltweit rund 4,3 Millionen Menschen jährlich unverschuldet der Luftverschmutzung zum Opfer. Auch die Daten aus Europa sind besorgniserregend. Nach einem Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA starben im Jahr 2015 immerhin eine halbe Million Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung.

Diese Zahlen erklären auch die Forderungen der WHO, die für Partikel kleiner als 10 µm (PM10) einen Jahresmittelwert von 20 µg/m3 fordert, für die kleineren und weitaus gefährlicheren PM2,5 sollte das Jahresmittel 10 µg/m3 nicht überschreiten.

EU kümmert sich lieber um Bananen

Die EU scheint das allerdings wenig zu kümmern, denn sie hält ganz ungeniert an ihren deutlich höheren Grenzwerten fest (PM10: 40 µg/m3, PM2,5: 25 µg/m3) und kümmert sich stattdessen lieber um das Aussehen unserer Bananen. Dabei zeigen neuere Daten, dass die mikroskopisch kleinen Feinstaub-Partikel (PM2,5) sogar über den olfaktorischen Nerv in der Nase ins Gehirn gelangen und dort möglicherweise so zerstörerische Prozesse wie eine Demenz fördern können.

Feinstaub im Gehirn

Dass ein solches Szenario realistisch ist, zeigten mexikanische Wissenschaftler schon vor zehn Jahren in Hunden: Lebten diese an stark befahrenen Straßen in Mexiko-Stadt, waren sie im Alter häufig desorientiert und in ihren Gehirnen fand man nach ihrem Tod Alzheimer-ähnliche Ablagerungen. Eine Studie aus 2016 zeigt, dass ein ganz ähnliches Schicksal auch Menschen drohen könnte. Heraufgefunden hat das ein internationales Konsortium, das die Gehirne von 37 Menschen aus Mexico City und Manchester untersucht hat: Die Forscher der University of Lancaster, der University of Oxford, der University of Glasgow, der University of Manchester, der University of Montana und der Universidad Nacional Autonoma de Mexico fanden im Hirngewebe der Verstorbenen winzige abgerundete Magnetit-Teilchen. Derart geformte Teilchen entstehen nur bei hohen Verbrennungstemperaturen und werden auch bei der Verbrennung von Diesel nachgewiesen, so die Forscher.

Straßenverkehr erhöht Demenzrisiko

Die ersten, die einen statistischen Zusammenhang zwischen langjähriger verkehrsbedingter Feinstaubbelastung und einer Verminderung der kognitiven Fähigkeiten¹ fanden waren Forscher des Leibnitz-Institutes für umweltmedizinische Forschung (IUF). Den Zusammenhang, den das Düsseldorfer Institut im Jahr 2009 im Rahmen einer epidemiologischen Studie fand, konnten 2017 auch Forscher der University of Toronto bestätigen: Von sechs Millionen Menschen, die über einen Zeitraum von elf Jahren (2001 bis 2012) beobachtet worden waren, hatten diejenigen, die nahe (< 50 m) vielbefahrener Straßen lebten, ein um 12 % höheres Risiko an Alzheimer und anderen Formen der Demenz zu erkranken als Menschen, die mehr als 200 m von der Straße entfernt lebten.² Beunruhigend auch die Ergebnisse der 2015 publizierten Women’s Health Initiative Memory Study aus den USA: In Gegenden, in denen die Konzentration von Teilchen mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 µm (PM2,5) über dem in den USA zulässigen Jahresmittelwert von 12 µg/m3 lag, stieg bei älteren Frauen das Risiko für den Abbau der kognitiven Fähigkeiten um 81 % und das Risiko für andere Formen der Demenz sogar um 92 %.

Toxikologie bestätigt kausalen Zusammenhang

Kürzlich wurden diese epidemiologischen Daten auch durch toxikologische Befunde bestätigt. Die Ergebnisse des internationalen Projektes AIRBAG (AIR pollutants and Brain Aging research Group), an dem auch das IUF beteiligt war, wurden in der Fachzeitschrift Particle and Fibre Toxicology veröffentlicht. Die Forscher hatten Mäusen das Gen für menschliches Peptid β-Amyloid – einem Bestandteil von Alzheimer-Plaques – eingebaut und einen Teil der gentechnisch veränderten Tiere über mehrere Wochen einer feinstaubbelasteten Luft ausgesetzt, während die Kontrolltiere saubere Luft atmen durften. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Versuchtiere zeigten deutlich mehr Entzündungssymptome und eine größere Menge an β-Amyloid im Gehirn als die Kontrolltiere. Außerdem fand man bei den Versuchstieren deutlich mehr Tumornekrosefaktor-α, einen Signalstoff der an Entzündungsprozessen beteiligt ist und in Alzheimer-Patienten mit einem beschleunigten Gedächtnisverlust in Verbindung gebracht wird. Laut Roel Schins, Leiter des AIRBAG-Projektes, schlägt die toxikologische Studie nicht nur eine Brücke zu den epidemiologischen Befunden, sondern bestätigt auch einen kausalen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Erkrankungen des zentralen Nervensystems. In weiteren Studien soll nun geklärt werden, ob die gleichen Ergebnisse im realen Straßenverkehr reproduzierbar sind, welche Relevanz die Befunde für den Menschen haben, welche Bestandteile (Rußpartikel oder gasförmige Stoffe) des Abgasgemischs die Schäden verursachen, wie die zugrunde liegenden Mechanismen aussehen und welche präventivmedizinischen Maßnahmen sinnvoll sind, erläutert Prof. Jean Krutmann, Direktor des IUF, das weitere Vorgehen. Solange solide Daten keine Entwarnung geben, sollten wir uns der Empfehlung eines in 2016 in Environmental Health publizierten Artikels anschließen und auch für Europa den deutlich niedrigeren US-Grenzwert für PM2.5 einfordern.

Quellen
1) Ranft U, Schikowski T, Sugiri D, Krutmann J, Krämer U: Long-term exposure to traffic-related particulate matter impairs cognitive function in the elderly. Environ Res 109(8): 1004-1011, 2009. doi: 10.1016/j.envres.2009.08.003
2) Chen H, Kwong JC, Copes R, Tu K, Villeneuve PJ, van Donkelaar A, Hystad P, Martin RV, Murray BJ, Jessiman B, Wilton AS, Kopp A, Burnett RT: Living near major roads and the incidence of dementia, Parkinson’s disease, and multiple sclerosis: a population-based cohort study. Lancet 389: 718-726, 2017. doi: 10.1016/S0140-6736(16)32399-6
3) Hullmann M, Albrecht C, van Berlo D, Gerlofs-Nijland ME, Wahle T, Boots AW, Krutmann J, Cassee FR, Bayer TA, Schins RPF: Diesel engine exhaust accelerates plaque formation in a mouse model of Alzheimer’s disease. Part Fibre Toxicol 14: 35, 2017. doi: 10.1186/s12989-017-0213-5
https://particleandfibretoxicology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12989-017…
4) Despina Giannadaki, Jos Lelieveld, and Andrea Pozzer. Implementing the US air quality standard for PM2.5 worldwide can prevent millions of premature deaths per year. Environ Health 2016; 15(1): 88. Published online 2016 Aug 23. doi: 10.1186/s12940-016-0170-8. PMCID: PMC4994265

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