Von der Spinnenzucht bis zu transgenen Ziegen haben Forscher in den letzten Jahres alles versucht, um in den Besitz des Wundermaterials Spinnenseide zu gelangen. Mit Amsilk hat ein deutsches Unternehmen nun das Puzzle gelöst und kann Spinnenproteine in großer Menge zu niedrigen Kosten produzieren.
Think different!
Das Herz von Amsilk ist die Forschung von Thomas Scheibel, der während seiner Tätigkeit an der TU München als Erster eine Methode zur großtechnischen Synthese der Spinnenproteine etablieren und patentrechtlich schützen lassen konnte. Dabei ging Scheibel einen unkonventionellen Weg, nicht auf das im Erbgutstrang der DNA befindliche Gen hatte es der Wissenschaftler abgesehen, sondern auf die bereits in der RNA zurechtgeschnittene Basenabfolge für das funktionstüchtige Seidenprotein. Innerhalb von nur eineinhalb Jahren schrieb Scheibel die RNA in cDNA um, zerteilte diese in mehrere kleine Bruchstücke, um sie problemlos in Darmbakterien klonieren zu können, und vermehrte Letztere in einem herkömmlichen Fermentationsprozess.
Auf Grund ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften wie Hitzestabilität bis 200 Grad Celsius konnten die Proteine leicht von den Bakterienresten getrennt werden, was zurückblieb war ein unscheinbares weißes Pulver, das enormes Potenzial in sich trägt. Die Vorteile der Methode liegen auf der Hand: Sie ist billig, skalierbar und das Beste, die unterschiedlichen Bruchstücke des genetischen Bauplans lassen sich beliebig kombinieren und so Spinnenseidenproteine mit ganz spezifischen oder sogar neuen Eigenschaften gewinnen.
Vom Protein zum seidenen Faden
Proteine sind Biopolymere und wie Polymere lassen sie sich spritzen, gießen und schäumen, was bei Amsilk zu einer Vielfalt von Produktideen geführt hat. Transparente Folien im Nanometerbereich mit hoher Stabilität und Flexibilität sind eine Variante. Schäume, Hydrogele und Kügelchen aus Seide sind weitere Erscheinungsformen der Seidenproteine von Amsilk. Nach wie vor ist aber der Seidenfaden die größte Herausforderung. Glaubt man Scheibel, ist dem Forscher gelungen, woran sich Viele in den letzten Jahren die Zähne ausgebissen haben.
Zauberwort Selbstorganisation
Das Zauberwort heißt Selbstorganisation und ist in der Natur ein Standardprozess. Ein Blick auf unsere Haare und Fingernägel zeigt was mit Selbstorganisation gemeint ist, obwohl beide aus dem Strukturprotein Keratin aufgebaut, unterscheiden sie sich doch signifikant in ihrem Aussehen und Eigenschaften. Chemiker nutzen dieses Prinzip, das in der Natur von Enzymen bewerkstelligt wird, in Form der Katalysatoren schon lange.
Dabei bringt der Katalysator bestimmte Moleküle in engste räumliche Nähe und ermöglicht damit Wechselwirkungen zwischen ihnen, die ohne Katalyse nicht möglich wären. Wie Scheibel das „Self Assembly“ in einen technischen Spinnprozess gepackt haben will, wollte er uns noch nicht verraten. Nur soviel, eine wissenschaftliche Publikation zu diesem Thema würde demnächst an ein passendes Journal eingereicht.
Investoren waren schnell überzeugt
Im Sommer 2007 gehörte Scheibel mit seiner Spinnenseide zu den Siegern des Bionik-Wettbewerbs des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung und löste damit eine Anfragewelle aus allen Bereichen der Industrie aus. Also entschloss sich der Wissenschaftler gemeinsam mit Lin Römer, Axel Leimer und der TU München im Oktober 2008 zur Gründung von Amsilk. Investoren waren angesichts der Hype um den Spinnenfaden schnell gefunden. Im Business Plan, der bereits die Science4Life Jury überzeugt hatte, lockte ein herkömmlichen Materialien weit überlegener Stoff für alle nur erdenklichen Produkte. Das kam an und konnte überzeugen.
Ob Implantate, Autolacke, Airbags oder eine zielgerichtete Wirkstoffverabreichung, der Einsatz der Spinnenseide scheint universell. Das überzeugte auch den MIG Fonds, einen Retail Fonds aus München, der auch Kleinanlegern offen steht, sowie das Family Office der Sprüngmann Brüder, die sich 2008 ebenfalls zur Finanzierung entschlossen. In zwei Finanzierungsrunden hat Amsilk bisher 10 Millionen Euro erhalten und Leimer ist sicher, die schnelle Entwicklung von einem Start-up zu einem anwendungs- und produktionsorientierten Unternehmen ist auch der Expertise und den Kontakten der Investoren zu verdanken.
Die Zukunft kann kommen
Rund 18 Mitarbeiter arbeiten aktuell an der Optimierung der Produktionsprozesse für verschiedenste Produkte und Anwendungen. Die Produktionskapazität liegt laut Leimer gegenwärtig bei 10.000 Liter und wird von einem Lohnhersteller bewerkstelligt. Bis zu 1000 Liter können wir selbst herstellen, meint Leimer, der sein Unternehmen bis 2014 in der Profitzone sieht. An einen Börsengang als Exit glaubt Leimer nicht, dies gäbe die Situation an den europäischen Börsen aktuell kaum her.
Ich sehe da eher eine mögliche Veräußerung von Geschäftsbereichen oder den Verkauf von Lizenzen, so Leimer im Gespräch. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern aus allen Bereichen der Industrie ist die Marktreife erster Produkte wohl nur noch eine Frage der Zeit. Davon sind wohl auch die Investoren überzeugt, die, so Leimer, schon bald frisches Kapital in Amsilk pumpen wollen.