Steckt der Jo-Jo-Effekt in den Genen?

Überflüssige Pfunde, denen wir uns nur mühsam entledigen, legen wir meist genau so schnell wieder zu. Dieser Jo-Jo-Effekt könnte in den Genen liegen.

Was sind die Gründe, dass sich unser Körper häufig nicht unseren Vorstellungen von der perfekten Figur beugen will? Die Antwort könnte in unserer individuellen genetischen Ausstattung liegen. Neue Studien zu einer Art „Master-Regulator“ im Fettstoffwechsel geben nun Anlass zu Hoffnungen im Kampf gegen überflüssige Pfunde.

Nahrung war nicht immer im Überfluss vorhanden – ganz im Gegenteil. Der komplex regulierte Fettstoffwechsel – entstanden im Laufe der Evolution – trägt diesem Mangel Rechnung, wird uns in Zeiten des Überflusses aber zunehmend zum Verhängnis. Nur durch die Speicherung von Energie in Fettdepots gelang es der Spezies Mensch, die oft kargen Zeiten unbeschadet zu überstehen. Dieser intelligente Stoffwechselweg erklärt allerdings nicht, weshalb wir Menschen uns hinsichtlich unseres Gewichtes so dramatisch unterscheiden können – selbst dann, wenn wir ganz Ähnliches essen.

Steckt der Jo-Jo-Effekt in den Genen?

Nicht erst seit gestern bringen Wissenschaftler unsere Gene auch mit unserem Gewicht in Verbindung. Diese, so glauben Viele, würden nach dem Fasten für die Wiederherstellung der individuellen Körperkonstitution sorgen und einen Diäterfolg innerhalb kurzer Zeit zunichte machen. Auch sei es ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Fettleibige nach einer Diät aus physiologischer Sicht den Körper eines Normalgewichtigen hätten. Vielmehr besäße ein ehemals Übergewichtiger nach dem Abspecken den physiologischen Zustand eines Hungernden, ein Zustand, den unser auf Effizienz getrimmter Fettstoffwechsel, so schnell als möglich auszugleichen versucht.

Fettleibigkeits-Gene nennen Wissenschaftler Gene, die das Risiko für Übergewicht erhöhen, und es wurde schon eine ganze Reihe solcher potenziellen Dickmacher aufgespürt. Alle haben eines gemein, sie sind irgendwie an der komplexen Signalübertragungskaskade von Hunger, Appetit und Sättigung im Gehirn beteiligt. Zu einem Medikament, das uns alle ohne jede Anstrengung rank und schlank machen könnte, hat es bisher aber keiner der entdeckten Erbfaktoren geschafft. Leptin, Ghrelin, Neuropeptid Y und MC4R scheinen zwar an der Regulation von Hunger und Sättigung beteiligt zu sein, doch die Komplexität der Prozesse wurde bisher weit unterschätzt. Nun glauben Forscher mit dem Gen IRX3 aber einen „Master-Regulator“ im Stoffwechsel und damit einen Schlüssel zu einem Medikament gegen unerwünschte Pfunde gefunden zu haben.

Mutationen auf Chromosom 16 steuern unser Gewicht

3D Struktur des FTO-Proteins

Dreidimensionale Struktur des FTO-Proteins. Copyright: Protein Data Base

FTO (Fat Mass Obesity Associated) nennt sich ein Gen, das 2007 an der Peninsula Medical School in Exeter (Großbritannien) eher zufällig entdeckt wurde. Timothy Frayling und seine Kollegen suchten eigentlich nach Mutationen, die das Risiko für Typ 2 Diabetes erhöhen. Auf Chromosom 16 wurden sie fündig und tauften das Gen später FTO. Doch wie diese Mutationen in der nicht-kodierenden Region von FTO, den so genannten Introns, auch das Risiko für Übergewicht und Adipositas erhöhen, blieb lange ein Rätsel.

Zusammenhang zwischen FTO und IRX3

Erst kürzlich konnte eine internationale Forschergruppe am Medical Center der Universität von Chicago das Rätsel knacken und die Ergebnisse im Fachblatt Nature unter dem Titel „Obesity-associated variants within FTO form long-range functional connections with IRX3“ publizieren. Spannend dabei, die mit Fettleibigkeit assoziierten FTO-Sequenzen interagieren nicht wie vermutet mit dem flankierten FTO-Gen, sondern mit IRX3, einem weit entfernt liegenden Gen.

Rätsel gelöst: FTO-Mutationen regulieren weit entferntes IRX3

Damit scheint das Mysterium geklärt und die FTO-Expression tatsächlich keinerlei Einfluss auf das Gewicht zu besitzen. Vielmehr scheint das weit entfernte IRX3 von den mutierten FTO-Sequenzen kontrolliert zu werden und bei Übergewicht eine „gewichtige“ Rolle zu spielen. In Gehirnen von erwachsenen Mäusen bestätigte sich, der Promotor, der das FTO-Gen anschaltet, interagiert nicht mit den für Fettleibigkeit verantwortlichen FTO-Introns.

Laut Co-Autor Jose Luis Gomez-Skarmeta vom Andalusian Center of Developmental Biology in Sevilla, Spanien, war diese Entdeckung eine echte Überraschung, zumal IRX3 hunderttausende von Basenpaaren von kontrollierenden FTO-Region entfernt liegt. Eine anschließende Analyse von Daten des ENCODE Projektes, zeigte ein ganz ähnliches Muster auch in Menschen. In 153 Gehirnproben verstorbener Europäer waren die für Fettleibigkeit verantwortlichen FTO-Introns mit der Expression von IRX3, nicht aber mit der von FTO korreliert. Die FTO-Introns fungieren also als regulatorische Elemente eines weit entfernten mit Fettleibigkeit assoziierten Gens und kontrollieren auf diese Weise wohl unser Gewicht.

IRX3-defiziente Mäuse haben 30 % weniger Fett

Und tatsächlich sind IRX3-defiziente Mäuse nicht nur deutlich schlanker, sie besitzen auch 30 Prozent weniger Fettmasse als ihre IRX3-positiven Gegenspieler. Warum dies so ist zeigt ein genauerer Blick auf die IRX3-defizienten Mäuse: Diese haben signifikant kleinere Fettzellen, ein größere Menge an braunem Fettgewebe und einen deutlich effizienteren Glukose-Stoffwechsel, womit Gomez-Skarmeta und seine Kollegen auch den Schutz vor Diabetes erklären.

IRX3 kodiert für ein Protein, das seinerseits wieder eine ganze Reihe von Genen zu regulieren vermag und innerhalb wie außerhalb des Gehirns lokalisiert ist. Damit unterscheidet es sich von allen bisherigen Hoffnungsträgern, die ihre Funktion hautsächlich innerhalb des Gehirns ausüben. Als nächstes wollen die Entdecker, die überzeugt sind mit IRX3 einen Master-Regulator gefunden zu haben, die Interaktionen von IRX3 mit anderen Genen und Molekülen untersuchen. Dabei soll es darum gehen, interessante Ziele zu identifizieren, die zu neuartigen Therapien gegen Fettleibigkeit und Diabetes führen könnten.

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