EROS – Nomen est Omen

EROS nennt Martin Fussenegger sein durch Blaulicht aktivierbares Genkonstrukt, das Männern eine Erektion „on demand“ verspricht.

Prof. Martin Fussenegger forscht an der ETH in Zürich

Prof. Martin Fussenegger forscht an der ETH in Zürich. Copyright: Martin Fussenegger

Mit synthetischen Genkonstrukten hat sich Martin Fussenegger von der ETH Zürich einen Namen gemacht. Mit seinen optimierten, in den Körper implantierbaren Genschaltkreisen, will der Forscher in naher Zukunft aber nicht nur Stoffwechselstörungen wie Adipositas und Diabetes bekämpfen. Mit EROS – in der griechischen Mythologie der Gott der begehrlichen Liebe – verspricht der Schweizer Wissenschaftler Männern mit erektiler Dysfunktion schon bald die Erektion „on demand.“

Ohne cGMP keine Erektion

Die männliche Erektion ist ein komplexer Vorgang. Die Stimuli, die über die Sinnesorgane in das Gehirn gelangen, lösen ein Feuerwerk an elektrischen und chemischen Signalen aus. Verschiedene Ionen, Proteine und Second Messenger sind an der Kaskade ebenso beteiligt wie das Hormon Testosteron aus den Hoden und das luteinisierende Hormon aus der Hirnanhangdrüse. Funktionieren alle beteiligten Systeme korrekt, sezernieren die Nervenzellen und die den Schwellkörper umgebenden Endothelzellen Stickoxid (NO).

Dieses aktiviert ein Enzym mit Namen lösliche Guanylat-Cyclase (sGC), die zu einem Anstieg des Second-Messengers cGMP (3’,5’-cyclic guanosine monophosphat) führt. Das cGMP schließt spannungsgesteuerte Kalziumkanäle in der Zellmembran, die Kalziumkonzentration in der Zelle nimmt ab und führt zur Entspannung der glatten Muskelzellen in den Schwellkörpern. Das Resultat: Blut fließt in die Schwellkörper, es kommt zur Erektion.

Die Grenzen von Viagra sprengen

Orale cGMP-spezifische Phosphodiesterasehemmer wie Viagra, Levitra und Cialis verzögern zwar den Abbau von cGMP und verstärken bzw. verlängern so eine bereits bestehende Erektion. Eine Erektion herbeiführen können diese Medikamente jedoch nicht. Hinzu kommt, nicht jeder Mann eignet sich für eine Behandlung mit diesen Enzyminhibitoren. Bei nitrathaltigen Medikamenten sind Phosphodiesterasehemmer wie Viagra sogar kontraindiziert. Auch wer unter einem zu niedrigen Blutdruck oder einer Leberfunktionsstörung leidet bzw. bereits einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt erlitten hat, wird vor den erwähnten Potenzpräparaten gewarnt.

Geht es nach Martin Fussenegger, kann bald aber auch diesen Männern geholfen werden. Mit seinem von außen steuerbaren synthetischen Genkonstrukt – mit dem passenden Namen EROS – will er den Prozess der Erektion von den natürlichen Stimuli entkoppeln. Was wie Science Fiction klingt, ist valide Wissenschaft, das bestätigt die aktuelle Fachpublikation „A Synthetic Erectile Optogenetic Stimulator Enabling Blue-Light-Inducible Penile Erection.“

Blaues Licht statt blauer Pille

Genkonstrukt EROS wird durch blaues Licht aktiviert und löst bei Ratten eine Erektion aus

Genkonstrukt EROS wird durch blaues Licht aktiviert und löst bei Ratten eine Erektion aus. Copyright: Martin Fussenegger

EROS steht für „Erectile Optogenetic Stimulator“ – was auf eine Genaktivierung durch Licht hinweist.

Wird EROS mit Blaulicht einer bestimmten Frequenz bestrahlt, wandelt die in EROS vorhandene modifizierte bakterielle Guanylat-Cyclase intrazelluläres GTP in cGMP um. Was sich fast trivial anhört, war Schwerstarbeit im Labor: durch ortsspezifische Mutagenese der Nukleotidcyclasedomain haben Fussenegger und sein Team nicht nur die Blaulichtsensitivität, sondern auch die Substratspezifität (GTP vs. ATP) optimiert, so dass in EROS reine GTP-Cyclase-Aktivität vorherrscht. Bei der ortsspezifischen Mutagenese werden einzelne Basen in einer bestimmten DNA-Sequenz ausgetauscht und so die genetische Information gezielt verändert – Fussenegger ist dies gelungen.

Spritze direkt in den Schwellkörper

Das Expressionsplasmid dieser optimierten GTP-Cyclase-Variante injizieren die Wissenschaftler direkt in das Zielgewebe, die Schwellkörper männlicher Ratten. Für Muskel, Haut und Leber ist die Verabreichung nackter DNA in der Literatur beschrieben und soll laut Fussenegger auch einwandfrei funktionieren. Dass die EROS-DNA auch in andere Gewebe gelangen könnte, schließt der Wissenschaftler aus: „Der Schwellkörper ist normalerweise wenig durchblutet, so dass wir nicht erwarten, dass sich das injizierte Plasmid im gesamten Körper verteilt.“

Nach Injektion in die Muskelzellen des Schwellkörpers und Bestrahlung mit Blaulicht wird die EROS-DNA in das benötigte Enzym umgeschrieben, so dass ausreichend cGMP entsteht. Ratten zeigen nach Bestrahlung mit Blaulicht nach etwa einer Minute eine Erektion, deren Intensität nicht von der Dauer der Lichteinwirkung abhängt. Der Prozess ist reversibel und lässt sich durch Lichteinstrahlung beliebig oft wiederholen, sagt Fussenegger.

Fünf Jahre bis zur Anwendung

Die zusätzliche Gabe von Viagra und anderen Phosphodiesterasehemmern soll synergistisch wirken und eine Erektion verlängern. Da die Entstehung einer Erektion in männlichen Säugern sehr ähnlich funktioniert, soll sich das Konzept auch auf den Menschen übertragen lassen. Einziger Haken: die Methode ist transient, das Konstrukt müsste also – je nach sexueller Aktivität – ein bis zweimal pro Woche direkt in den Schwellkörper gespritzt werden.

Fussenegger glaubt dennoch an einen Markt für EROS und ist gerade in Gesprächen mit Klinikern, die erste Studien mit Freiwilligen durchführen sollen. Die Pharmaindustrie hat bis jetzt noch kein Interesse bekundet, sagt Fussenegger, doch dies könnte sich ändern, sobald die klinischen Studien den gewünschten Erfolg zeigen. In etwa 5 Jahren soll die Erektion „on demand“ verfügbar sein. Über den Preis hat sich der Wissenschaftler noch keine Gedanken gemacht, die Materialkosten liegen aber im Bereich von nur wenigen Euros, sagt er.

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