Bakterien entwaffnen statt töten

Stefan Sieber will krankmachende Bakterien entwaffnen und setzt dabei, wie einst Fleming, auf Stoffe aus der Natur. Antibiotika verlieren ihre Schlagkraft, die Anzahl resistenter Keime wächst rasant. Wollen wir den Kampf gegen die unsichtbaren Gegner erneut gewinnen, müssen wir schnell und beherzt handeln. An der Technischen Universität in Garching bei München arbeitet der Chemiker Stephan Sieber an einem spannenden neuen Konzept und hofft auf finanzstarke Investoren.

Virulenz schwächen

Stephan Sieber hat eine Schwäche für Wirkstoffe aus der Natur. Am Lehrstuhl für Organische Chemie an der Technischen Universität in München sucht der Chemieprofessor mit seinem 24-köpfigen Team nach Ersatz für die stumpfer werdende Waffe Antibiotikum. Sein Sparringspartner ist der gefürchtete multiresistente Staphylococcus aureus, besser bekannt unter dem Namen MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus).

Sieber will den Keim nicht töten, denn dies setzt ihn unter Stress und macht ihn nur noch gefährlicher, sagt er. Mit einer ganz neuen Strategie will er lediglich die Virulenz des Keims schwächen und ihn so seiner gefährlichen Waffen berauben. In der aktuellen Ausgabe des TUM-Magazins „Faszination Forschung“ spricht der Chemiker über seine Arbeit und berichtet über erste Erfolge, die aufhorchen lassen.

Staphylokokken zerstören weiße Blutzellen

Staphylococcus aureus Bakterien zerstören weiße Blutzellen. cc-2.0 Courtesy: Frank de Leo/NIAID

Wir suchen nach Hemmstoffen, so genannten Inhibitoren, die pathogene Keime zu zahnlosen Tigern machen, erläutert der Chemiker seine Arbeit. Sieber hofft mit der Stoffgruppe der Lactone den Kampf gegen pathogene Keime erneut zu gewinnen. Als Alexander Fleming im Jahr 1928 durch Zufall das Penicillin entdeckte, schien es als hätte die Menschheit den Kampf gegen die mikroskopisch kleinen Feinde gewonnen.

Doch unsachgemäßer Gebrauch, vor allem in der Tierzucht, hat den pathogenen Keimen erneut Oberwasser verschafft. Gelangen multiresistente Keime in die Blutbahn kranker oder geschwächter Personen, ist deren Schicksal meist besiegelt. Am Ende stehen Sepsis und Multiorganversagen. Dass wir schnell handeln müssen, steht außer Frage! Denn während die Zulassung neuer Antibiotika durch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA seit 1983 kontinuierlich abnimmt, erleben multiresistente Bakterien ein Comeback.

Das bakterielle Waffenarsenal

Bakterien kommunizieren über Peptide, die sie in ihre Umgebung abgeben. Solange die Anzahl an Bakterien und damit die Konzentration an den genannten Peptiden gering ist, verhalten sich die Keime ruhig. Überschreiten sie jedoch eine kritische Schwelle, stehen die Zeichen auf Angriff, sagt Sieber. Dann starten bestimmte Transkriptionsaktivatoren – also Verbindungen die Gene aktivieren – und Virulenzfaktoren den Teufelskreis der bakteriellen Infektion, die unbehandelt tödlich enden kann.

Mit effizienten Hemmstoffen gegen diese Virulenzfaktoren will der Münchner Forscher die bakteriellen Waffen schwächen und den Keimen ihre Schlagkraft nehmen. Sind die Virulenzfaktoren erst einmal außer Gefecht gesetzt, besorgt das Immunsystem den Rest, meint Sieber. Im Tierversuch konnten bestimmte ß-Lactone eine bakterielle Schlüsselsubstanz erfolgreich hemmen. Dass ß-Lactone im Gegensatz zu den ß-Lactamen – zu denen das Penicillin gehört – Bakterien nicht töten, hat einen weiteren Vorteil: die natürliche Darmflora bleibt weitgehend intakt.

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