WHO: Krebs wird extrem ansteigen

In den nächsten 20 Jahren erwartet uns ein dramatischer Anstieg bei Krebs. Ein kritischer Blick auf die Zahlen des Krebsreports der WHO.

Die Zahlen und Prognosen des jüngsten World Cancer Reports der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bedenklich und könnten die globalen Gesundheitssysteme an den Rand ihrer Belastbarkeit bringen. Die 250 Autoren aus mehr als 40 Ländern sind sich einig: Die jährlichen Neuerkrankungen werden in den nächsten 20 Jahren von 14 Millionen (2012) auf 22 Millionen klettern. Die in 2010 weltweit angefallenen Kosten in der Onkologie von rund 1,2 Trillionen US-Dollar könnten dann nur die Vorhut einer kaum mehr zu bewältigenden Kostenlawine sein.

Krebserkrankungen weltweit

Die Häufigkeit von Krebs in der Welt. Copyright:

Regierungen in der Pflicht

Christopher Wild, Direktor der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) und maßgeblich an der Erstellung des aktuellen Reports beteiligt, sieht in Anbetracht solcher Zahlen die globalen Regierungen in der Pflicht. Dass der Experte der Prävention einen besonders hohen Stellenwert beimisst, ist angesichts des immer offensichtlicher werdenden Zusammenhangs zwischen Krebs und Lebensstil nicht weiter verwunderlich. Ein Zusammenhang, der laut Wild vor allem mutige Gesetze zur Einschränkung des Tabak-, Alkohol- und Zuckerkonsums erfordere. Mindestens 10% aller Kolon- und Mamma-Karzinome ließen sich durch eine Besteuerung stark zuckerhaltiger und hochkalorischer Lebensmittel verhindern, so viele gehen laut Epidemiologen nämlich nachweislich auf das Konto von Fettleibigkeit.

33 Milliarden Mehrkosten

In die gleiche Kerbe schlägt eine im vergangenen Jahr von GfK Bridgehead im Auftrag von GE-Healthcare erhobene Studie. Dabei wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen ungesundem Lebensstil und dadurch verursachten Zusatzkosten bei Krebs in den Ländern Brasilien, China, Frankreich, Deutschland, Indien, Japan, Saudi-Arabien, Türkei, Großbritannien und den Vereinigten Staaten untersucht – mit alarmierenden Ergebnissen. Die Kosten zur Behandlung von Brust-, Lungen- und Dickdarmkrebs erhöhen sich durch Rauchen, Alkoholkonsum, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel um stattliche 33,9 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Alleine der Bewegungsmangel löst jährliche Zusatzkosten bei der Therapie des Kolonkarzinoms in Höhe von 160 Mio. US-Dollar jährlich aus.

Die Hälfte der Todesfälle wäre vermeidbar

Ein positives Ergebnis der Studie: Nahezu die Hälfte aller durch Krebs verursachten Todesfälle wären durch einen gesünderen Lebensstil zu verhindern. Normales Körpergewicht, Rauchabstinenz, ausgewogene Ernährung, körperliche Aktivität, sowie die Teilnahme an sinnvollen Vorsorgeuntersuchungen tragen zu einer Risikominimierung bei. Leider ist in allen untersuchten Ländern ein ungesunder Lebensstil vorherrschend und ein Umdenken gestaltet sich extrem schwierig, wie ein genauerer Blick auf die erhobenen Daten zeigt.

In sieben Ländern sind 25% der Bevölkerung regelmäßige Raucher. Vor allem in Frankreich und der Türkei ist das Rauchen noch weit verbreitet (31% der Erwachsenen). Französische Frauen (31%) und türkische Männer (47%) stellen laut Studie die größten Rauchergruppen. Bei der Untersuchung des Bewegungsmangels schnitten Saudi-Arabien und Großbritannien am schlechtesten ab. 68,8% der Bewohner Saudi Arabiens und 63,3% der Briten über 18 Jahren pflegen eine bewegungsarme Lebensweise. Etwas besser schnitten mit 15,6% die Inder und mit 28% die Deutschen ab.

Medizin ist kein Allheilmittel

Selbst die rasch fortschreitende Medizin ist kein Allheilmittel – ein Blick auf die Krebstoten des WHO-Berichts zeigt warum: 2012 verloren weltweit 8,2 Millionen Menschen ihr Leben durch Krebs, in 20 Jahren prognostiziert uns der aktuelle Krebs-Report schon 13 Millionen Krebstote. Forscher aus aller Welt suchen deshalb händeringend nach neuen Waffen gegen den Krebs.

Am DKFZ in Heidelberg sollen innovative Therapieansätze die Horror-Prognose vereiteln helfen. Mit der Gen-Immuntherapie werden Immun- und Gentherapie gekoppelt, der neue Ansatz soll schon bald die Pankreas- und Prostatakarzinom-Therapie verbessern. Christian Buchholz vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen und Ulrich Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen setzen auf die Onkolyse, und erforschen derzeit mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) einen optimierten Masernimpfstoff. 
Dies sind nur zwei einer ganzen Reihe von neuen und kreativen Ansätzen.

Zugang zu Therapien ein Problem

Doch alle noch so kreativen Ideen sind hinfällig, gelingt es nicht das größte Problem – den uneingeschränkten Zugang zu innovativen Therapien – zu lösen. Denn während die Forschung unaufhaltsam voranschreitet, sind ärmere Länder und Bevölkerungsschichten noch immer benachteiligt, wenn es um eine adäquate medizinische Versorgung geht. Dabei werden laut aktuellem WHO-Report 60 Prozent der prognostizierten Krebserkrankungen und 70 Prozent der Todesfälle auf die Länder Afrika, Asien, Zentral- und Südamerika entfallen.

Nicht nur durch die Veränderung des Lebensstils, auch durch heute bereits verfügbare Medizin wären einige Krebsarten vermeidbar, meint Autor Wild, der vor allem die inadäquate Versorgung in der „dritten Welt“ anprangert. Impfungen gegen Gebärmutterhalskrebs, häufig ausgelöst durch das humane Papillom Virus, etwa. Ähnliches gilt für das Leberkarzinom, dessen Auslöser gar nicht so selten ein Hepatitis Virus ist. Und Helicobacter Pylori wurde bereits überführt, an der Entstehung von Magenkrebs beteiligt zu sein.

Bedenkliche Zahlen

2012 erkrankten weltweit 1,8 Mio. (13%) Menschen am Lungenkarzinom, 1,6 Mio. (19,4%) Menschen verstarben daran. Die Brustkrebs-Neuerkrankungen lagen mit 1,7 Mio. oder 11,9% auf dem 2. Platz. Die Diagnose Dickdarmkrebs erhielten 2012 1,4 Mio. (9,7%) Menschen. Bei den Krebstoten rangierte das Leberkarzinom mit 0,8 Mio. (9,1%) Toten auf Platz zwei, gefolgt vom Magenkarzinom – auf dessen Konto 0,7 Mio. (8,8%) Tote gingen. Nicht weniger bedenklich die Zahlen für Europa.

Der Krebs-Report spricht von 3,4 Mio. Krebsdiagnosen in 2012. Davon entfielen 13,5% auf den Brustkrebs, 13% auf den Darmkrebs, 12,1% auf das Prostatakarzinom und 11,9% auf das Lungenkarzinom. Bei den 1,8 Millionen Krebstoten lag auch in der EU das Lungenkarzinom, auf Grund seiner schlechten Prognose, mit 20% auf Platz eins. Gefolgt von Darmkrebs mit 12,2%, Brustkrebs mit 7,5% und dem Magenkarzinom, das für 6,1% der Todesfälle verantwortlich zeichnete.

Reiche Menschen leben länger

Auch wenn es bisher vor allem die Menschen in Afrika, Asien und Südamerika sind, die unter den ungleich verteilten Ressourcen leiden, auch Bürger reicherer Länder sind auf dem Weg in eine Zweiklassenmedizin. Dies zeigt eine erst kürzlich präsentierte Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums, die eine Kopplung zwischen Wohnort und Überleben untersucht hat. Menschen aus sozioökonomisch schwächeren Landkreisen haben danach ein um 33 Prozent höheres Risiko in den ersten drei Monaten nach der Krebsdiagnose zu sterben, als ihre Mitmenschen in reicheren Landkreisen.

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