Foodscanner à la StarTrek

Jeder Star Trek Fan kennt den Tricorder, mit dem Mr. Spock und Co. unbekannte Objekte in Sekundenschnelle analysieren. Nun haben Forscher die Science Fiction Idee aufgegriffen und erste Foodscanner entwickelt, die einem Tricorder schon ziemlich nahe kommen.

Digitale Vorkoster verändern unser Essverhalten

Ist der Apfel wirklich „bio“ oder enthält er vielleicht nicht erlaubte Pestizidrückstände? Wie viel Zucker steckt im Müsli und ist der Fisch auf dem Teller tatsächlich ein Heilbutt oder wurde uns vielleicht eine billige Alternative aufgetischt? Diese und andere Fragen rund um unsere Lebensmittel konnten bisher nur mit Hilfe teuerer Analysegeräte beantwortet werden. Doch das könnte sich bald ändern, denn Cloud Computing, lernende Algorithmen, Data Mining sowie miniaturisierte Sensoren und Scanner haben die Grundlagen für das Labor in der Westentasche geschaffen und bereits zu mobilen Lösungen frei nach dem Vorbild des Tricorders beigetragen.

Der Mafia das Handwerk legen

Ganz egal wer den Wettlauf um das cleverste Produkt gewinnt, Food Scanner sind das nächste große Ding und sie versprechen ein Milliardengeschäft. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die industrielle Produktion von Lebensmitteln hat ernährungsbedingte Erkrankungen, Unverträglichkeiten und Allergien dramatisch ansteigen lassen; Deklarationen werden immer unübersichtlicher und sind für Laien kaum noch verständlich; und die Globalisierung im Lebensmittelhandel bringt immer mehr Lebensmittelfälschungen in unsere Supermärkte. Für die Mafia sind Fälschungen weitgereister Lebensmittel wie Wein und Olivenöl das ganz große Geschäft. Dies läge daran, dass die Gewinne hier ähnlich hoch wie im Drogenhandel seien, meint das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz. Alleine im vergangenen Jahr hätten Europol und Interpol gefälschte Lebensmittel im Wert von 230 Mio. Euro konfisziert.

Eine Million Preisgeld für den mobilen Analytiker

Dass die mobilen Analytiker hier Abhilfe schaffen könnten, davon ist die EU überzeugt. Erst kürzlich hat sie drei Geldpreise für die aussichtsreichsten mobilen Food Scanner vergeben: Platz 1 und damit 800.000 Euro Preisgeld ging an die finnische Firma Spectral Engines für ihren Scanner NIRONE. Den zweiten und dritten Preis, jeweils mit 100.000 Euro dotiert, teilten sich das kanadische Startup Tellspec mit seinem gleichnamigen Scanner und die israelische Firma Consumer Physics mit dem Scanner SCiO. Alle drei Systeme wollen die Zusammensetzung von Lebensmitteln und sogar von ganzen Mahlzeiten analysieren. Neben der Nährwertzusammensetzung sollen aber auch potenziell gefährliche Inhaltstoffe wie Allergene, Pestizide oder Toxine schnell und präzise aufgespürt werden. Damit dies gelingt, nutzen die Food Scanner die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), die auf der Anregung von Molekülschwingungen durch elektromagnetische Strahlung im nahen Infrarotbereich basiert und schon lange eine Standardmethode in der Analytik ist. Neu ist allerdings die Miniaturisierung der Geräte, die in den meisten Fällen kaum größer als ein Smartphone sind.

800.000 Euro Preisgeld von der EU für den von Spectral Engines entwickelten Food Scanner.

800.000 Euro Preisgeld von der EU für den von Spectral Engines entwickelten Food Scanner. Copyright: Spectral Engines

Scanner setzen auf Infrarot

Auch die Nutzung der Miniscanner ist denkbar einfach: Eine Lichtquelle emittiert Infrarotlicht, das auf das Lebensmittel trifft. Da vom Lebensmittel nur der Teil der Energie absorbiert wird, der sich in Resonanz mit den Molekülschwingungen seiner Inhaltsstoffe befindet, wird die restliche Energie reflektiert. Aus der Differenz von eingestrahltem und absorbiertem Licht wird anschließend im miniaturisierten Spektrometer ein für das Lebensmittel charakteristisches Transmissionsspektrum errechnet. Die Spektraldaten werden anschließend mit Hilfe einer App in die Cloud geschickt, wo sie ein Algorithmus im Detail analysiert und mit bereits gespeicherten Referenzen abgleicht. Das Ergebnis der Messung erscheint in nur wenigen Sekunden im Display. Spectral Engines, der 800.000 Euro-Gewinner, besitzt laut Geschäftsführer Jarkko Antila zwar bereits eine Bibliothek mit 10.000 verschiedenen Referenz-Lebensmitteln, doch käuflich erwerben lässt sich sein Scanner noch nicht. Anders sieht es bei der kanadischen Tellspec aus, deren Scanner kann man sich für schlappe 1.300 US-Dollar bereits frei Haus liefern lassen. Laut Unternehmens-Webseite detektiert das Gerät nicht nur Hauptnährstoffe wie Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate sowie die Kalorien einer Mahlzeit, sondern weist auch Allergene, Gluten oder Verfälschungen wie Melamin einwandfrei nach.

Smartphone als Spektralkamera

Einen billigeren und ausgesprochen cleveren Weg gehen die Forscher am Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und Fabrikautomatisierung (IFF) in Magdeburg. Sie verzichten auf teuere Scanner und bauen stattdessen das Smartphone in eine Art umgedrehte Spektralkamera um. Udo Seiffert vom Fraunhofer IFF erklärt den Ansatz so: Um ein Spektrum zu erhalten, das eindeutige Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung ermöglicht, ermitteln wir die Absorption und Reflexion mit dem Display und der Kamera des Smartphones. Dazu schalten die Forscher das Display schnell hintereinander auf seiner gesamten Fläche auf eine Sequenz verschiedener Farben und lassen der Kamera synchron dazu Aufnahmen vom reflektierten Licht erstellen. Beleuchtung, Bildaufnahmen und Nutzerinteraktion steuert die eigentliche Innovation, die App HawkSpex Mobile®. Sie stellt auch die Verbindung zur spektralen Datenbank in der Cloud her, wo intelligente Auswertealgorithmen die Messungen verarbeiten, dafür sorgen, dass die App mit der begrenzten Rechenleistung des Smartphones klar kommt und die eingeschränkten Leistungen von Kamera und Display kompensiert.

Die App HawkSpex wurde von Forschern des Fraunhoffer IFF entwickelt.

Die App HawkSpex wurde von Forschern des Fraunhoffer IFF entwickelt. Copyright: Fraunhofer IFF

Crowd trainiert künstliche Intelligenz

Um die Ergebnisse möglichst schnell auf das Display zu bekommen, nutzt HawkSpex maschinelles Lernen. Dazu trainieren die Forscher eine künstliche Intelligenz (KI), die in Sekundenbruchteilen eine Vielzahl von Spektren vergleichen und über Mustererkennung eindeutig identifizieren kann. So ließe sich theoretisch innerhalb kürzester Zeit ein gespritzter von einem Bio-Apfel unterscheiden. Doch bis das einwandfrei gelingt, muss die KI erst einmal alle möglichen Äpfel kennenlernen und das gilt auch für alle anderen Lebensmittel, wenn die App sie einwandfrei identifizieren soll. Und weil das Scannen der gesamten Lebensmittelpalette einer Sysyphos-Arbeit gleicht, setzen die Forscher beim Training ihrer KI auf die Crowd. Wie im Falle von Wikipedia sollen die Nutzer der App die KI anonymisiert mit ihren Messdaten füttern und sie so immer schlauer und genauer machen. Der Prototyp von HawkSpex ist aktuell auf die Erkennung verschiedener Kaffeesorten spezialisiert. Robusta kann er bereits einwandfrei von Arabica unterscheiden, meint Seiffert. Doch dabei soll es natürlich nicht bleiben, künftig soll die KI auch Nährwerte, Bioprodukte, Pestizidrückstände und sogar die Frische von Fleisch und Wurst einwandfrei erkennen. Wenn die App Ende 2017 auf den Markt kommt, wird sich zeigen, ob sie tatsächlich hält, was sie verspricht.

Don't be shellfish...Share on Google+Share on LinkedInTweet about this on TwitterEmail this to someoneShare on Facebook