Der Metastasierung auf der Spur

Am MIT in Boston und am IMBA in Wien arbeiten Forscher an innovativen Technologien im Kampf gegen die Metastasierung von Krebs.

Forscher Josef Penninger

Josef Penninger forscht am IMBA in Wien. Copyright: J. Penninger

„Nur wer versteht, wie Krankheiten entstehen, kann sie eines Tages heilen“, sagt Josef Penninger, Direktor des IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie) in Wien. Erst vor wenigen Wochen publizierten IMBA-Wissenschaftler in „Nature“ neue Forschungsergebnisse, die, wie Penninger glaubt, zu einer Pille gegen Metastasen führen könnten.

Das Corpus Delicti, eine Ligase

Krebszellen entstehen in jedem von uns – jeden Tag. Doch nicht jeder von uns erkrankt auch an einem malignen Tumor. Die Fitness des Immunsystems, auch gesteuert durch eine Reihe von Genen, macht dabei die individuellen Unterschiede. Denn entartete Zellen aufzuspüren und diese mit spezialisierten Immunzellen zu zerstören, ist ein hochgradig komplexer Prozess, der auf einem perfekten Zusammenspiel der einzelnen Akteure beruht.

In Kooperation mit australischen und deutschen Wissenschaftlern wurde am IMBA jetzt ein Enzym entdeckt das bestimmte Immunzellen regelrecht ausbremst. E3 Ubiquitin Ligase Cbl-b, so der sperrige Name des „Corpus Delicti“, das in natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) eine Art molekulare Bremse darstellt. Magdalena Paolini forscht am IMBA und ist Erstautorin der „Nature“ Publikation. In einem Tiermodell mit metastasiertem Brustkrebs schaltete Paolini das Gen für Cbl-b in NK-Zellen ab, danach gaben diese erneut Vollgas gegen Metastasen.

Der heilige Gral der Krebstherapie

Ob die Forscher mit dem Stoffwechselweg, über den Cbl-b die Aktivität der NK-Zellen zu regulieren scheint, tatsächlich den Pfad zum heiligen Gral der Krebstherapie gefunden haben, muss sich noch zeigen. Klar scheint allerdings, die Bremswirkung wird durch Interaktion von Cbl-b mit diversen TAM Tyrosin-Kinase Rezeptoren initiiert. Die auch an der Phagozytose des Immunsystems beteiligten Rezeptoren sind Substrate für die Ubiquitinylierung durch Cbl-b.

Überträgt Cbl-b einen Ubiquitin-Rest auf einen TAM-Rezeptor, geben die NK-Zellen ihren Kampf gegen Krebszellen offensichtlich auf. Gemeinsam mit dem Lead Discovery Center der Max Planck Gesellschaft in Dortmund wurde deshalb ein erster TAM-Rezeptoren-Blocker entwickelt und erfolgreich getestet. Zumindest im Tiermodell konnte der Inhibitor die Bremswirkung von Cbl-b aufheben. IMBA-Direktor Penninger ist indes vom Potenzial der Entdeckung überzeugt, es müssten jetzt aber weitere Experimente folgen, um die Erkenntnisse zu vertiefen und mögliche Nebenwirkungen der neuen Therapie auszuschließen.

Organpräferenz von Metastasen entschlüsseln

Auch am MIT in Boston stehen Metastasen hoch im Kurs. Ziel hier ist es, die eindeutige Organpräferenz verschiedener Primärtumoren besser zu verstehen. Warum bilden Brustkrebszellen vorwiegend Knochenmetastasen, und wie kommt es, dass Muskelgewebe von einer Metastasierung weitgehend verschont bleibt. Wichtige Fragen, die am MIT nun mittels der Mikrofluidik beantwortet werden sollen.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Italien und Südkorea nutzen Professor Kamm und sein Team neuartige Mikrofluidik-Chips, kaum größer als ein 50-Cent Stück. Die mit verschiedenen Kanälen ausgestatteten Systeme ermöglichen die simultane Kultivierung von Endothel-Zellen, welche die Blutgefäßwand simulieren, und Knochenzellen in abgeschlossenen Kompartimenten – ganz ähnlich den Verhältnissen im Organismus.

Die Wanderung der Brustkrebszellen aus dem Kanal mit den Endothel-Zellen in eine Knochen- oder Kollagen-Matrix verfolgen die MIT-Forscher anschließend mit Hilfe eines speziellen Mikroskops. Die Ergebnisse der jüngsten Publikation zeigen nach fünf Tagen doppelt so viele Tumorzellen in der Knochenmatrix als in der Vergleichsmatrix aus Kollagen.

Zwei Proteine im Visier

Zwei Moleküle haben Kamm und sein Team dabei im Visier. Das von den Knochenzellen sezernierte Chemokin CXCL5 sowie den auf Krebszellen vorhandenen G-Protein-gekoppelten Chemokin-Rezeptor CXCR2. Dass CXCR2 eine Rolle beim Tumorwachstum spielt ist bekannt. Ob jedoch beide Proteine heiße Kandidaten für die unterschiedlichen Metastasierungsraten in Knochen und Kollagen sind, ist unklar. Ein erster positiver Hinweis ergab sich aus der Behandlung der Brustkrebszellen mit einem CXCR2-blockierenden Antikörper.

Krebszellen, deren Rezeptor blockiert wurde, hatten ganz offensichtlich Probleme die Endothel-Schicht zu durchbrechen. Und auch im Falle von CXCL5 hatten die Forscher Glück. Injizierten sie das knochenspezifische CXCL5 in eine Kollagen-Matrix, nahm die Krebszellinvasion aus dem Endothel in das Kollagen zu. Für Kamm und seine Kollegen steht fest: die beiden Proteine könnten aussichtsreiche Ziele für neue Medikamente im Kampf gegen die Skelett-Metastasierung sein und die Mikrofluidik zu einer hilfreichen Technik bei der Entschlüsselung solcher Organpräferenzen werden.

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