Designer Gene gegen Fettleibigkeit

Wie Forscher der ETH Zürich mit Designer Genschaltkreisen in Zellen Fettleibigkeit und Diabetes zu Leibe rücken wollen.

Fettleibigkeit ist kein rein ästhetisches Problem. Die Fettpolster an Bauch und Hüften beeinträchtigen nach Schätzungen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) das Wohlbefinden von etwa 1,5 Milliarden Menschen weltweit und sind nicht selten der Beginn einer fatalen Stoffwechselentgleisung, bekannt unter der Bezeichnung „Metabolisches Syndrom“. Bisher ist dem Teufelskreis aus zu viel, zu süß und zu fettig weder mit Diäten, noch mit Sport oder Fettabsaugung beizukommen.

Martin Fussenegger in seinem Labor an der ETH Zürich.

Martin Fussenegger glaubt an synthetische Genschaltkreise als Appetitzügler. Copyright: M. Fussenegger

Synthetische Genschaltkreise gegen Fettleibigkeit

Wenn es nach Wissenschaftlern aus Zürich geht, soll uns schon bald eine neue Form der Zelltherapie das Abspecken erleichtern. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) entwickelt Martin Fussenegger implantierbare Zellen, die synthetische Genschaltkreise tragen. In Abhängigkeit von der Menge an Blutfett entsteht aus den synthetischen Genen ein Appetitzügler. Die Gen-Aktivität regulieren die Forscher automatisch über einen Rückkopplungsprozess.

In Mäusen hat das bereits funktioniert, sagt Fussenegger, der mit Pramlintide, einem zugelassenen Diabetes-Wirkstoff, auch schon den passenden Appetitzügler gefunden hat. Pramlintide ähnelt dem natürlichen Hormon Amylin, das bei Mahlzeiten in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Das Hormon hemmt die Glukagonausschüttung, verlangsamt die Magenentleerung und erhöht so das Sättigungsgefühl.

Blutfette regulieren den Genschaltkreis

Für ihren synthetischen Gen-Schaltkreis kopieren die Schweizer ganz einfach die Natur: Im Körper dimerisiert der nukleäre Lipidrezeptor PPARα (Peroxisomen-Proliferations-aktivierter Rezeptor-α) mit dem nukleären Retin-X-Rezeptor zu einem Transkriptionsfaktor. Dieser Transkriptionsfaktor bindet an eine ganz bestimmte Stelle der DNA – den Promoter – welcher daraufhin ein Gen anschaltet. Einen solchen Genschalter haben die Schweizer jetzt im Labor nachgebaut und ihn LSR (Lipid-sensitiver Rezeptor) getauft.

LSR ist ein Fusionskonstrukt aus der Liganden-bindenden Domäne von PPARα und dem bakteriellen DNA-bindenden Repressor TtgR. Während PPARα eine Reihe von Fetten erkennt, ist TtgR auch empfindlich für den Kosmetikzusatz Phloretin, der über die Haut aufgenommen werden kann – so lässt sich der Genschalter von außen abschalten. Ist viel Fett im Blut vorhanden bindet das LSR-Konstrukt an einen chimären Promoter (PTtgR1), das Appetitzügler-Gen wird aktiviert, Pramlintide entsteht, der Appetit wird gehemmt.

So funktioniert es!

Wie genau das funktioniert erklären die Wissenschaftler folgendermaßen: Bei normalen Fett-Konzentrationen rekrutiert die PPARα Domäne von LSR Co-Repressoren, diese hemmen den Promotor (PTtgR1). Bei normalen Fettspiegeln wird der Appetitzügler Pramlintide also nicht gebildet. Das Gegenteil geschieht bei hohen Fettspiegeln im Blut. In diesem Falle werden vom synthetischen Genschalter LSR Co-Aktivatoren rekrutiert welche den Promotor aktivieren und auf diese Weise für die Herstellung des Appetitzüglers Pramlintide sorgen.

Transgen Pramlintide lässt Nager abspecken

Bei funktionierendem Gen-Schaltkreis aktiviert Pramlintide den CALC/RAMP Rezeptor und induziert so eine komplexe Signalkaskade, in deren Folge der Appetit gehemmt, die Magenentleerung verlangsamt und ein Sättigungsgefühl induziert werden. Die jüngsten Daten des Professors klingen vielversprechend. In den Bauchraum fettleibiger Nager eingebrachte transgene in Alginat-Poly-(L-Lysin)-Alginat Beads mikroverkapselte Zellen mit LSR-Genschaltkreis bestätigten die prognostizierten Wirkungen.

Die Aufnahme hochkalorischer Nahrungsmittel wurde unterdrückt, die Blutfettwerte sanken und das Körpergewicht der Nager ging zurück. Selbst der integrierte Sicherheitsschalter der Züricher scheint tadellos zu funktionieren. Reiben sie Phloretin auf den Bauch der Tiere, wird die Lipid-abhängige Promotor-Aktivierung sofort außer Kraft gesetzt. Dies geschieht über die Bindung von Phloretin an die TtgR-Domäne von LSR, das Pramlintide Transgen wird nicht abgelesen, die Synthese von Pramlintide bleibt aus.

Auch wenn bis zur Anwendung am Menschen noch etwas Zeit ins Land ziehen dürfte, der ETH-Professor ist überzeugt, Designer Zell-Implantate sind der nächste Schritt in Richtung personalisierter Medizin.

In Nagern funktioniert Fusseneggers Konzept bereits. Copyright: M. Fussenegger

In Nagern funktionieren Fusseneggers Designer Zellimplantate bereits. Copyright: M. Fussenegger

Don't be shellfish...Share on Google+Share on LinkedInTweet about this on TwitterEmail this to someoneShare on Facebook